Kleine narrative Formen haben eine besondere Affinität zum Rechtsdiskurs. Die Tagung lädt dazu ein, diese These zu prüfen und die historischen Dimensionen der spezifischen Beziehung von Novellistik und Recht zu diskutieren. Im Fokus des interdisziplinären Gesprächs von Germanistik, Romanistik und Rechtsgeschichte stehen Rhetorik, narrative Strukturen und kulturelle Semantiken des Rechts, wie sie in den europäischen Kurzerzählungen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit zur literarischen Darstellung kommen.

Die Beiträge befassen sich mit der novellistischen Sicht auf Institutionen und Methoden des Rechts. Sie analysieren Sprache und Rhetorik der Figuren und Erzähler ebenso wie die narrative Modellierung rechtlich-konflikthaften Geschehens zu Fallgeschichten und diskutieren deren gattungstheoretische und -historische Aspekte. Die Beschäftigung gilt ferner den diskursiven Interferenzen von Recht und Religion sowie Recht und Ökonomie.

Sektionsübergreifend liegt die Aufmerksamkeit auf den spezifischen Möglichkeiten der Kurzerzählung, das Verhältnis von juristischen Normen und gesellschaftlichen Werten, von Recht und Gerechtigkeit zu beleuchten.

Tagungsort:
Schloss Mickeln, Düsseldorf

Tagungsprogramm

Freitag, 02. Mai 2014

12.30 Empfang
13.00 Einführung
Pia Doering / Caroline Emmelius

I. Rechtsrhetorik und Gerechtigkeitsnarrative
Moderation: Jens Haustein (Jena)

13.30 Udo Friedrich (Köln)
Juristisches Argumentieren und Erzählen in den Gesta Romanorum

14.15 Jan Söffner (Köln)
Der Schmerz der Sünde. Zu Recht und Gerechtigkeit in Dantes Commedia und Boccaccios Decameron

15.00 Kaffeepause

II. Figuren und Geschichten des Rechts (I)
Moderation: Eva Schumann (Göttingen)

15.30 Bernd Kannowski (Bayreuth)
Giovanni Boccaccio und die Juristerei. Rechtshistorische Aspekte des Decameron

16.15 Pia Doering (Münster)
Glauben und Wissen: Juristische Wahrheitssuche im Decameron

17.00 Kaffeepause

17.30 Franziska Meier (Göttingen)
Die Rolle des Juristen im “fashioning” des Künstlers

ab 19.30 gemeinsames Abendessen

Samstag, 03. Mai 2014

III. Narrative Strukturen des Rechts
Moderation: Silvia Reuvekamp (Düsseldorf)

9.00 Klaus Grubmüller (Göttingen)
Das Recht des Stärkeren in Fabel- und Novellendichtung

09.45 Hartmut Bleumer (Göttingen)
Gewalt und Sprache, Recht und Ordnung – und das unordentliche Erzählen im mittelhochdeutschen maere

10.30 Kaffeepause

Moderation: Bettina Full (Bamberg)

11.00 Coralie Rippl (Zürich)
Unerhörtes Erzählen. Heinrich Kaufringers Kontroversfälle zwischen Märe und Novelle

11.45 Lydia Merten (Göttingen)
Ein Plädoyer für den Dieb? Rechtliche Verhandlungen zwischen Hans Folz und Hans Sachs

12.30 Mittagessen

IV. Rechtssprache und Rechtserkenntnis
Moderation: Victor Millet (Santiago de Compostela)

14.15 Nina Nowakowski (FU Berlin)
Recht sprechen. Zur Funktionalisierung juridischen Sprechens in Kurzerzählungen des Strickers

15.00 Henrike Manuwald (Freiburg i. Brsg.)
er kan mit seiner zungen swachen / das recht zuo ainem unrecht machen.
Von der ‚Kritik der Urteilskraft’ bei Heinrich Kaufringer

15.45 Kaffeepause

V. Figuren und Geschichten des Rechts (II)
Moderation: Karin Westerwelle (Münster)

16.15 Helmut Meter (Klagenfurt)
Wie Frauen der Prozess gemacht wird. Signifikante Rechtsfälle in Bandellos Novellistik

17.00 Michael Waltenberger (Frankfurt a. M.)
Schwankhafte Kasuistik in Guillaume Coquillarts Les Droitz Nouveaulx (1480)

ab 19.00 gemeinsames Abendessen

Sonntag, 04. Mai 2014

VI. Rechtsdiskurs und Rechtspraxis
Moderation: Ricarda Bauschke-Hartung (Düsseldorf)

9.15 Kai Nonnenmacher (Regensburg)
Ökonomie und Recht bei Boccaccio

10.00 Gert Hübner (Basel)
Recht als erzählte Praxis. Überlegungen zu Reinke de Vos und Von Reinicken Fuchs (1498, 1539, 1544)

10.45 Kaffeepause

Moderation: Caroline Emmelius

11.15 Seraina Plotke (Basel) / Stefan Seeber (Freiburg i. Brsg.)
Rechtsunsicherheiten. Narrativiertes Recht in Paulis Schimpf und Ernst und in den Adaptationen seiner Nachfolger

12.15 Fazit und Ausblick
Pia Doering, Caroline Emmelius

ab 12.45 Kaffee und Abreise