Das Theater des 17. Jh. wird traditionell als ein Hof- und Staatstheater verstanden, das die Affektkultur der höfischen Gesellschaft auf die Bühne bringt und eine Regulierung der Affekte als Idealprinzip vorführt. Erst im 18. Jh. wird diesem Verständnis nach das Theater zu einer moralischen Institution, das Gefühle des Einzelnen thematisiert und dergestalt zur Genese einer ‘empfindsamen’ und dezidiert ‘bürgerlichen’ Gefühlskultur beiträgt.

Die Tagung wird dagegen die These diskutieren, dass sich bereits im 17. Jh. ein Paradigma der ‘Zärtlichkeit’ ausbildet, das ein neues Verständnis von Liebe, Familie und Geschlechterbeziehungen hervorbringt, das dann zur Herausbildung jener empfindsamen Gefühlskultur des 18. Jh. führt. Hierzu werden erstmals in einem systematischen und übergreifenden Ansatz Forschungsansätze zur Rolle der ‘Zärtlichkeit’ in unterschiedlichen sozialen Kontexten (etwa mit Blick auf die galante tendresse der höfischen Gesellschaft Frankreichs oder die tenderness der englischen Restauration) und in den verschiedenen Ausprägungen des Theaters (Tragödie, Komödie, Oper) zusammengeführt. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, die bisherigen nationalen und disziplinären Perspektiven neu zu reflektieren und einschlägige Autoren und Werke (so etwa Molière, Marivaux, Steele, Gellert, Lessing, Goldoni) in jenem interkulturellen Kontext zu verorten, in dem sich die dynamische Transformation von ‘Zärtlichkeit’ zu ‘Empfindsamkeit’ vollzieht. Dies wird dadurch geleistet, dass einerseits die Konzeption des Theaters der Zärtlichkeit um 1630 herausgearbeitet wird, um dann andererseits dessen Transformation bis 1760 in fünf Sektionen paradigmatisch zu behandeln.

Die Tagung wird freundlicherweise von der DFG gefördert.

h3.PROGRAMM

MITTWOCH, 23. SEPTEMBER 2015

SEKTION 1: DER TRAGISCHE URSPRUNG DER ZÄRTLICHKEIT 1630-1670

9.15 – 9.30 Uhr Begrüßung durch die Veranstalter

9.30 – 10.30 Uhr
Jörn Steigerwald (Paderborn):
„Les tendresses de l’amour humain“: Corneilles Polyeucte

10.30 – 11.30 Uhr
Carine Barbafieri (Valenciennes):
La tendresse de Quinault: tentative de définition d’une notion difficile

11.30 – 12.00 Uhr Kaffeepause

12.00 – 13.00 Uhr
Hendrik Schlieper (Paderborn):
Pleurs éternels: Trauer als tendresse in der klassischen Tragödie (Corneille, Horace – Racine, Andromaque)

13.00 – 14.00 Uhr Mittagspause

14.00 – 15.00 Uhr
Kirsten Dickhaut (Graz):
Berenice oder le tendre Racine

15.00 – 16.00 Uhr
Lothar van Laak (Paderborn):
Lohensteins Problematisierung der Zärtlichkeit in der Sophonisbe

16.00 – 16.30 Uhr Kaffeepause

SEKTION 2: PROBLEMATISIERUNG DER ZÄRTLICHKEIT IN DER KOMÖDIE 1630-1700

16.30 – 17.30 Uhr
Agnieszka Komorowska (Mannheim):
Freundschaft und Zärtlichkeit im Theater des Siglo de Oro: Zu María de Zayas’ La traición en la amistad

DONNERSTAG, 24. SEPTEMBER 2015

SEKTION 2: PROBLEMATISIERUNG DER ZÄRTLICHKEIT IN DER KOMÖDIE 1630-1700 (FORTS.)

9.00 – 10.00
Marine Roussillon (Paris):
La tendresse des chevaliers: La princesse d’Elide de Molière

SEKTION 3: TRANSFORMATION DER ZÄRTLICHKEIT INS PRIVATE: DIE KOMÖDIE UM 1700

10.00 – 11.00 Uhr
James Steintrager (Irvine, CA):
Tender Horror: The Sentimentalization of Negative Affect and the Fate of the House of Pelops in France around 1700

11.00 – 11.30 Uhr Kaffeepause

11.30 – 12.30 Uhr
Anette Pankratz (Bochum):
Sex und Sensibility in Restaurationskomödien: The Man of Mode von George Etherege

12.30 – 13.30 Uhr Mittagspause

13.30 – 14.30 Uhr
Patricia Oster-Stierle (Saarbrücken):
„C’est que cela m’est échappé“: les ruses de la tendresse im Theater Marivaux’

SEKTION 4: MUSIKTHEATER ALS PARADIGMA DER ZÄRTLICHKEIT

14.30 – 15.30 Uhr
Wolfgang Hirschmann (Halle/Saale):
„Tendres amours“ – der Zärtlichkeitsdiskurs und seine Brechungen in Georg Philipp Telemanns Pastorelle en musique (Frankfurt um 1714)

15.30 – 16.00 Uhr Kaffeepause

16.00 – 17.00 Uhr
Stephan Kraft (Würzburg):
Karl der Große – gütiger Vater statt strenger Herrscher. Zur Konjunktur des Emma- und Eginhard-Stoffs um 1700

FREITAG, 25. SEPTEMBER 2015

SEKTION 5: DIE VERBÜRGERLICHUNG ARISTOKRATISCHER ‚TENDRESSE’? ZUM EMPFINDSAMEN THEATER DES 18. JAHRHUNDERTS

8.00 – 9.00 Uhr
Rudolf Behrens (Bochum):
Venezianische Zärtlichkeit? Schwache Emotionen in Goldonis späten melancholischen Komödien

9.00 – 10.00 Uhr
Claudia Gronemann (Mannheim):
Physische Stärke und Emotionalität in Jovellanos’ El delincuente honrado

10.00 – 10.30 Uhr Kaffeepause

10.30 – 11.30 Uhr
Tom Kindt (Fribourg):
„Gesetztere Freude“. Zärtlichkeit, Komik, Komödie und Tugend bei Gellert, Schlegel und Lessing

11.30 – 12.30 Uhr
Burkhard Meyer-Sickendiek (Berlin):
Miss Sara Sampson, oder: Warum Lessing ein später, aber innovativer Dramatiker der Zärtlichkeit ist

12.30 – 13.00 Uhr Abschlussdiskussion

Beitrag von: Hendrik Schlieper

Redaktion: Christof Schöch