Frist: 2015-11-15

Im Zuge der sogenannten Reformationsdekade hat die Forschung zu und über die Reformation in Deutschland und Europa einen neuen Antrieb erhalten, doch die Frage, welche kulturelle Bedeutung und nachhaltigen Folgen die Reformation in Spanien sowie in den spanischen Kolonien in theologischer, historisch-politischer sowie künstlerisch-literarischer Hinsicht hatte, wird weiterhin kaum beachtet. Das mag auf den ersten Blick nicht verwundern, denn in dem selbst in der gegenwärtig weitgehend säkularisierten Welt ist Spanien noch deutlich vom Katholizismus geprägt – man denke nur an die politische und wirtschaftliche Einflusskraft von Opus Dei oder die noch heute prunkvoll begangene Semana Santa – und der Protestantismus stellt mit nur rund 0,4% Anhängern eine Minderheitenreligion dar. Doch der nahe liegende Umkehrschluss, dass die Reformation bzw. reformatorische Überzeugungen die Pyrenäen gar nicht erst überwunden haben und alle reformatorischen Nonkonformisten sofort von der Inquisition ausgelöscht wurden, und ihre Gedanken somit gar nicht rezipiert werden konnten ist falsch. Auch wenn die spanischen Vertreter reformatorischer Gedanken – wie etwa Casiodoro de Reina oder Juan de Valdès, um nur einige zwei zu nennen, – zumeist im Exil aktiv waren, sind ihre Werke auch in Spanien rezipiert worden. Die reformatorische Bewegung in Spanien trägt indes ihre ganz eigenen Züge und kann nicht allein als Übernahme und Nachfolge von Luther und Calvin betrachtet werden. Maßgeblich für die spanische Ausprägung der Reformation sind vielmehr der von Italien kommende Humanismus sowie die Lehre des Erasmus von Rotterdam. Ob durch die inquisitorische Zensur in den Untergrund gedrängt oder aber sichtbar in Form massiver Abwehr (Stichwort Autodafé), so hat die Reformation bzw. besser die spezifisch spanische Ausprägung reformatorischer Gedanken in vielerlei Hinsicht auf die Kultur und Literatur Spaniens (und Hispanoamerikas) Einfluss ausgeübt. So ist schließlich etwa auch die spanische Gegenreformation mit ihren kulturellen und literarischen ,Maßnahmen‘ wie etwa die Stärkung des Fronleichnamsfestes durch die Einführung spektakulärer Fronleichnamsspiele als unmittelbare Reaktion auf die ,protestantische Bedrohung‘ aus dem Norden und die innere Bedrohung häretischer Querdenker zu betrachten.

Ziel des interdisziplinär konzipierten Sammelbandes ist es, die bislang nur wenig erforschten theologischen, politischen, kulturell-künstlerischen und literarischen Auswirkungen der Reformation auf Spanien und die spanischen Kolonien zu untersuchen. Neben der Vorstellung der Besonderheiten spanischer Vertreter reformatorischen Gedankengutes und der Analyse ihrer theologischen Schriften soll der Fokus der Einzelbeiträge vor allem auf den kulturpolitischen und künstlerischen Auswirkungen reformatorischer Gedanken liegen.

Das Publikationsprojekt, das die Vielfalt der Auswirkungen und Entwicklungen der Reformation auf der iberischen Halbinsel beleuchtet, soll bereits 2016 – thematisch passend zu dem Lutherdekaden-Themenjahr „Eine Welt“ der EKD – erscheinen.

Beitragsvorschläge werden bis zum 15. November 2015 erbeten. Bitte senden Sie ein Abstract (ca. 2000 Zeichen mit Leerzeichen) und eine kurze Bio-Bibliographie an Marina Ortrud HERTRAMPF: marina.hertrampf@sprachlit.uni-regensburg.de

Zeitplan

  • bis 15. November 2015: Einreichung von Beitragsvorschlägen
  • bis 30. November 2015: Auswahl der Beiträge für den Band
  • bis 29. Februar 2016: Einreichung der Beiträge (Umfang ca. 31.000 Zeichen mit Leerzeichen)
  • Publikation ca. Herbst 2016

Beitrag von: Marina Ortrud Hertrampf

Redaktion: Christof Schöch