Stadt: Mainz

Frist: 2016-08-25

Beginn: 2016-09-30

Ende: 2016-09-30

Fragt man nach der Genese des zeitgenössischen Fernsehprogramms, so denkt man sicherlich zunächst nicht an das europäische Barocktheater. In der Frühen Neuzeit, so die These, gelangt eine neue Form des Spiels auf die Bühne, die sich von der analogischen Welt des Mittelalters dadurch abgrenzt, dass sie vormalige ‚Gewissheiten‘ in Frage stellt und das Subjekt mit der Aufgabe konfrontiert, seine eigene Identitätsdisposition stets aufs Neue zu hinterfragen (Egginton 2003). Indem Zuschauer wie Schauspieler lernen, dass Identität aufs engste mit Performanz verbunden ist und die zeitgenössischen Souveränitätskrisen die Befürchtung aufwerfen, dass jeder heute die Rolle des Königs und morgen die des Bettlers spielen kann (Xuan 2005), werden Theatralität und Subjektivität miteinander konkomitant (Egginton 2003) Hieraus ergibt sich „Modernity’s fundamental problem of thought“ (Egginton 2009), das sich in einer ständigen Austarierung von Identitäts-konzepten und Souveränitätsentwürfen äußert und im 20. und 21. Jahrhundert fortgesetzt zu werden scheint durch das, was Fredric Jameson die Schizophrenie des postmodernen Subjekts nennt (Jameson 1991). Geht man nun davon aus, dass der (postmoderne) Zuschauer Teil einer globalen Subjektivitätskrise ist, so liegt die Vermutung nicht fern, dass Krimiserien wie ‘Law and Order’, ‘Tatort’ oder Reality Shows wie ‘Familien im Brennpunkt’ eine ähnliche Funktion erfüllen wie die Mantel- und Degenkomödie (comedia de capa y espada) oder die Verwicklungskomödie (comedia de enredo) des spanischen Barock (Egginton 2016) und so gleichsam zu ‚Identitätsprothesen‘ und ‚Performanzhelfern‘ werden können.

Der ganztägige Workshop unter der Leitung des amerikanischen Romanisten und Philosophen William Egginton (Johns Hopkins University) wird sich mit der Frage nach der Kontinuität zwischen Barock und Fernsehserie bzw. Film befassen. Welche konkreten (politischen) Krisen werden im Barocktheater via Performanz und instabiler Identitätsdarstellung sichtbar? Lassen sich ähnlich gelagerte Krisen für die Produkte des zeitgenössischen Fernsehens ausmachen? Auf welche ‚Musterlösungen‘ werden die Zuschauer in der jeweiligen Epoche via Bühne und Leinwand eingestimmt? Wie lassen sich problematische Identitätskonstruktionen und der Verlust autonomer Subjektivität in psychoanalytischen Begriffen fassen? Inwieweit sind neurotische Symptome einzelner fiktionaler Figuren Ausdruck eine tiefergreifenden kollektiven Identitätsneurose?

Angesprochen sind DoktorandInnen sowie fortgeschrittene StudentInnen im Masterstudium. Voraussetzung für die Teilnahme sind sehr gute aktive wie passive englische Sprachkenntnisse sowie gute (passive) Spanischkenntnisse. Ein Reader mit ausgewählten (Theorie-)Texten dient der Vorbereitung auf den Workshop und der gemeinsamen Analyse der von den TeilnehmerInnen eingereichten Beispiele.
Bitte formulieren Sie Ihren Diskussionsvorschlag in Form eines Abstracts von max. 400 Wörtern. Mögliche Schwerpunkte sind einerseits die methodische Kombination von Theoriekonzepten (Subjektivität, Theatralität, Psychoanalyse) und Barocktheater oder TV und Film; andererseits die vergleichende Lektüre anhand von Fallbeispielen aus comedia und Film/TV.

Bitte schicken Sie Ihre Abstracts bis spätestens 20. August 25. August (Fristverlängerung!) 2016 jeweils an:

Dr. Julia Brühne (bruehne@uni-mainz.de)
Vanessa Schlüter (vschluet@uni-mainz.de)

Beitrag von: Julia Brühne

Redaktion: Christof Schöch