Stadt: München

Beginn: 2014-10-23

Ende: 2014-10-25

Tagung vom 23.-25.10.2014 am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, LMU München
Organisation: Dr. Johanna Schumm, johanna.schumm@lrz.uni-muenchen.de
Tagungsort: IBZ München (Amalienstr. 38)

Die Beschreibung kultureller Phänomene als „barock“ hat Konjunktur; neuere Publikationen sprechen vom digitalen, vom virtuellen, vom elektronischen und natürlich vom postmodernen Barock, etwa mit Blick auf die zeitgenössische Medienkunst und Populärkultur. Diese Aktualisierungen des Barockbegriffs stützen sich, wie frühere, auf die Wiederbelebung und Fortentwicklung (vermeintlich) barocker Formen und Themen in der zeitgenössischen Kultur. Zugleich wird dadurch der Barockbegriff jedoch auch verändert.

Diesen zum Teil vagen und auch transformierenden Verwendungen des Barockbegriffs steht die spezialisierte Forschung zum historischen Barock in den einzelnen Fachdisziplinen gegenüber, die in ihrer Tiefenschärfe den Begriff des Barocken immer weiter zuspitzt. Die Tagung möchte versuchen zwischen diesen beiden Seiten des aktuellen Barockdiskurses zu vermitteln und dafür den Barockbegriff in interdisziplinärer und historisch offener Perspektive reflektieren.

Dabei soll es zunächst um das Gemeinsame und Verschiedene in den Selbst- und Fremdbeschreibungen des Barocken gehen: Was heißt jeweils „barock“? Wie kommt es dazu, dass genauso der in Formaldehyd gelegte Hai von Hirst wie das Trauerspiel Gryphius’ und Deleuzes Theorie der Falte barock genannt werden können? Ist das nur eine Verwirrung des Barockbegriffs oder gibt es Gemeinsamkeiten in der Sache? Was taugen barocke Konzepte oder Figuren für die Erklärung zeitgenössischer Phänomene? Und umgekehrt: Was bieten solche Beschreibungen für ein Verständnis des historischen Barock?

Davon ausgehend stellt sich die Frage nach der jeweiligen Attraktivität von barocken Themen und Formen sowie des Begriffs „barock“. Wie weit trägt die Annahme, dass bestimmte sozio-historische Konstellationen – etwa wirtschaftliche oder ideologische Krisenzeiten – barocke Figuren provozieren? Oder erklärt sich das Barocke innerhalb der Kunst als gezielte Abweichung von einer als klassisch oder normativ etablierten Ästhetik?

Genauso gilt es interdisziplinär nach dem Gemeinsamen zu fragen: Gibt es Figuren, wie etwa das Infinite, die gleichermaßen Kunst, Kultur, Musik, Philosophie, Mathematik und die Natur-wissenschaften des Barocken prägen?

Den gemeinsamen Fokus der Tagung sollen also „Figuren des Barocken“ bilden, das heißt Realisierungen des Barocken genauso im 17. wie in späteren, ggf. auch früheren Jahrhunderten. Mit „Figuren des Barocken“ sind Denkfiguren des Barocken (etwa die Falte, die schiefe Perle oder das Unendliche) genauso gemeint wie personelle oder dingliche Figurationen (z. B. der Lügner, der Spiegel oder die Wolke) und rhetorische oder stilistische Formen (etwa der Lakonismus, das Hyperbaton oder die Spirale), die als spezifisch barock wahrgenommen werden.

Der Schwerpunkt der Tagung liegt auf der Entwicklung neuer Perspektiven auf das Barock bzw. auf Barockes. Gerade der gemeinsame Blick auf verschiedene historische Realisierungen und die disziplinäre Breite versprechen dabei eine fruchtbare und anschauliche Diskussion über das Barocke als gesamt- und massenkulturelles Phänomen.

TAGUNGSPROGRAMM

Donnerstag, 23.10.2014

Moderation: Fabienne Imlinger
15.30 Uhr, Johanna Schumm (München): „Fernrohre. Einleitendes und Programmatisches zur Tagung“
16.00 Uhr, Sjoerd van Tuinen (Rotterdam): „Critical Intermediality in Mannerism and Baroque“
17.15 Uhr, Dominika Hens (Basel): „Montalvo/Hervieu featuring Rameau. Choreographische Neu-Kon-Figurationen barocker und nachbarocker Bildstrategien“

Freitag, 24.10.2014

Moderation: Johanna Schumm
9.30 Uhr, Daniel A. Di Liscia (München) „Auf der Suche nach einer neuen Ordnung: Die ‚scientiae mediae‘ und Keplers Revolution der Wissenschaften“

11.30 Uhr, Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, Ariane Mensger: Führung durch die Ausstellung „Rembrandt – Tizian – Bellotto. Geist und Glanz der Dresdner Gemäldegalerie“ (nur für TagungsteilnehmerInnen)

Moderation: Martin von Koppenfels
15.00 Uhr, Sven Jakstat (Berlin): „Das Bild ist eine Vibration. José Antonio Maravall über Velázquez“
16.15 Uhr, Björn Vedder (München): „‚The Wizard and the Videosmurf‘: Die Offenlegung des Spektakels in den Arbeiten von Bjørn Melhus“
17.30 Uhr, Santiago Cevallos (Quito): „José Lezama Lima und Severo Sarduy: zwei Figuren des hispanoamerikanischen Barock“

Samstag, 25.10.2014

Moderation: Helga Thalhofer
10.00 Uhr, André Otto (Berlin): „Figurationen des Exzesses. Poetische Anordnungen in Thomas Carews ‚A Rapture‘”
11.15 Uhr, Christopher D. Johnson (Cambridge / London): „Über barocke Parataxe und die verschiedenartige, endlose Liste“

Beitrag von: Johanna Schumm

Redaktion: Christof Schöch