Stadt: Regensburg

Frist: 2015-04-10

Beginn: 2015-07-07

Ende: 2015-07-08

2015 jährt sich die Befreiung der nationalsozialistischen Konzentrationslager zum 70. Mal. Trotz extrem repressiver Verhältnisse formierte sich in diesem Umfeld äußerster Gewalt durchaus Widerstand seitens der Häftlinge. Die Nachwuchstagung an der Universität Regensburg will Widerstand aus einer interdisziplinären Perspektive in den Blick nehmen. Voraussetzungen, Möglichkeiten und Formen des Widerstandes sollen ebenso untersucht werden wie dessen Repräsentation in autobiographischen und literarischen Zeugnissen zur Lagerhaft.

Im ersten Teil der Tagung soll das Konzept des „Widerstandes im Lager“ theoretisch fundiert werden. Neben der Frage, was darunter zu verstehen ist, soll es insbesondere auch darum gehen, sich mit konkreten Formen des Widerstandes in diesem repressiven System zu befassen. Widerstand konnte von Akten der Selbstbehauptung einzelner Häftlinge über die Hilfe und Unterstützung anderer Mitgefangener bis hin zu organisierten Widerstandsstrukturen größerer Häftlingsgruppen reichen, wie sie beispielswiese für die französischen Häftlinge im KZ Buchenwald überliefert sind. Sozialpsychologische Befunde zum Bystander-Effekt liefern mögliche Erklärungen für das Auftreten von Widerstand. Vor allem aktuelle Studien weisen darauf hin, dass Menschen eher dazu bereit sind, sich für andere einzusetzen, wenn sie hohe Kosten, seien es physische oder psychische, für einen Akt des Widerstands erwarten. Im Rahmen der interdisziplinären Nachwuchstagung sollen verschiedene psychologische Faktoren diskutiert werden, die diesem Verhalten zu Grunde liegen.

Ein besonderes Augenmerk soll im zweiten Tagungsteil auf jene Widerstandshandlungen gerichtet werden, die die Häftlinge durch kulturelle Tätigkeiten im Untergrund der Lager vollzogen. In einer Umgebung, in der selbst der Besitz von Stift und Papier strengstens verboten war und jegliche freie Willensäußerung unterdrückt wurde, kann im Niederschreiben von Gedichten, Liedern oder anderen kurzen Texten ein Akt der Selbstbehauptung und damit des Widerstandes gesehen werden. Auf der Tagung sollen Beispiele des geschilderten Widerstands durch Kultur präsentiert werden, etwa das gemeinschaftliche Singen von Liedern oder das Aufführen von Theaterstücken. Gefragt wird nach deren Funktion und Entstehungsbedingungen ebenso wie nach deren ästhetischer Dimension. Literatur- und kulturwissenschaftliche Analysen können beispielsweise zeigen, wie die in Lagerhaft entstandenen Texte gestaltet sind und worüber sie (nicht) sprechen.

Seit der Befreiung der Konzentrationslager legen zahlreiche Überlebende Zeugnis ab von den während der Haft gemachten Erfahrungen. Diese Texte sollen im dritten Teil der Tagung dahingehend untersucht werden, ob und wie die AutorenInnen über Widerstandshandlungen berichten, welchen Raum beispielsweise Passagen einnehmen, in denen von heimlich organisierten kulturellen Veranstaltungen und generell von Widerstandshandlungen im Lager gesprochen wird. In diesem Zusammenhang soll auch ausgelotet werden, wie bestimmte soziale Prozesse im Lager retrospektiv bewertet werden: Wie wird gegenseitige Hilfe und Solidarität dargestellt? Inwieweit reflektieren und beurteilen die AutorenInnen jenes Verhalten, das die Sozialpsychologie unter dem Bystander-Effekt zusammenfasst? Lassen sich bestimmte psychologische Prozesse, die damit in Verbindung stehen, etwa die Verantwortungsdiffusion, auch in literarischen und autobiographischen Zeugnissen nachweisen? Wie wird die hierarchische Strukturierung und Zusammensetzung der Häftlingsgesellschaft wahrgenommen und schließlich wie sind Textstellen gestaltet, in denen es um die Machtstaffelung geht, die die Nationalsozialisten durch die Delegation von Gewalt an bestimmte Funktionshäftlinge etablierte? Diesen und weiteren Fragestellungen an der Schnittmenge von sozialpsychologischer und literatur- und kulturwissenschaftlicher Forschung geht die Nachwuchstagung auf den Grund.

Vorschläge für Beiträge sind herzlich willkommen. Bitte senden Sie ein Abstract (max. 300 Wörter) in deutscher oder englischer Sprache sowie einen kurzen CV bis spätestens 10. April 2015 an nachwuchstagung.rgbg2015@gmx.de. Die Länge der Vorträge ist auf 25 Minuten begrenzt, damit im Anschluss daran ausreichend Zeit für Diskussionen bleibt. Eine Veröffentlichung der Beiträge ist geplant.

Im Rahmen der Tagung wird am 7.7.2015 vormittags eine Exkursion in die Gedenkstätte des ehemaligen KZ Flossenbürg stattfinden. Bitte geben Sie bei Ihrer Anmeldung an, ob Sie an dieser Exkursion teilnehmen wollen.

Die Tagungsgebühr beträgt 30 € und umfasst die Verpflegung in den Kaffeepausen.

Organisation: Hartmut Duppel (Universität Regensburg, Institut für Romanistik), David Urschler (Universität Regensburg, Lehrstuhl für Sozialpsychologie)

Schirmherrschaft: Prof. Dr. Isabella von Treskow (Universität Regensburg, Institut für Romanistik, Lehrstuhl für Französische und Italienische Kultur- und Literaturwissenschaft), Dr. Jörg Skriebeleit (Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg)

Tagungssprachen: Deutsch, Englisch

Beitrag von: Hartmut Duppel

Redaktion: Redaktion romanistik.de