"La souffrance de n'être ni d'ici ni d'ailleurs…" Krankengeschichten in narrativen Texten französischsprachiger MigrationsautorInnen süd- und südostasiatischer Herkunft in Frankreich: Transkulturelle Perspektiven (Habilitationsprojekt)
Allgemeine Angaben
- Projektbeginn
- Freitag, 25. November 2011
- Projektende
- Montag, 14. Oktober 2013
- Status
- abgeschlossen
- Hochschule
- Institut für Romanistik
- Stadt der Hochschule
- Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
- Thematik nach Sprachen
- Französisch
- Disziplin(en)
- Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft, Migrationsliteratur, Literatur und Medizin
Exposé
Das Habilitationsprojekt widmet sich der systematischen Analyse von Krankheitsdarstellungen gerade nicht in einer bestimmten ‘Nationalliteratur’, sondern in zeitgenössischer französischsprachiger Migrationsliteratur, wobei sich das Textkorpus aus narrativen Texten und Essays von AutorInnen süd- und südostasiatischer Herkunft (das heißt aus China, Japan, Kambodscha, Korea, Vietnam), die in Frankreich leben (bzw. gelebt haben) und seit 1980 auf Französisch publizieren, zusammensetzt. Das mit 18 AutorInnen überschaubare Korpus gestattet die Erarbeitung eines modellhaften, auf ähnliche Korpora übertragbaren Fragespektrums und besitzt die ‘Stärke’, AutorInnen aus der ehemaligen französischen Kolonie Vietnam mit AutorInnen aus nicht frankophonen Räumen im Hinblick auf die Krankheitsdarstellung konfrontieren zu können – eine vielversprechende Gegenüberstellung, hat doch schon Véronique Porra für diese beiden AutorInnengruppen unterschiedliche Schreibstrategien – ‘Writing back’ einerseits und ‘Writing in’ andererseits – namhaft gemacht (2008, 236).
Mit den in eine monographische Darstellung mündenden Ergebnissen soll ein Beitrag zu transdisziplinärer, kulturwissenschaftlicher Grundlagenforschung sowie zur Theoriebildung geleistet und einem Forschungsdefizit Rechnung getragen werden. Das bereits vielbeachtete ‘Gespann’ Literatur und Medizin zur Trias ‘Literatur – Medizin – Migration’ – zu erweitern, erscheint nicht nur geboten, um der gegenwärtigen, durch beschleunigte Globalisierung geprägten “postnationale[n] Konstellation” (Habermas 1998) und der von Homi Bhabha so treffend beschriebenen “kulturelle[n] Gleichzeitigkeit” (2011, 10) gerecht zu werden, sondern auch um dem von Vittoria Borsò georteten “dringenden Bedarf an humanwissenschaftlicher Reflexion im medizinischen Bereich” zu begegnen (2010, 224) – ein ‘Bereich’ der, wie es die Disziplin der ‘transkulturellen Medizin’ belegt, zunehmend von MigrantInnen geprägt wird.
Zur angemessenen Erfassung des Analysegegenstandes – Migrationsliteratur, die bevorzugt um Fragen der Identität und Alterität, der kultureller Hybridität und der Relation zwischen Zentrum und Peripherie kreist – soll eine postkoloniale, transkulturelle Perspektive eingenommen werden, die exemplarische Textanalysen entlang folgender vier Reflexionsachsen ermöglicht:
(1) Krankheit und Migration: Macht Migration krank?
(2) Krankheit und (transkulturelle) Identität
(3) Krankheit und (Trans)Kultur
(4) Krankheit und (transkulturelle Gegen)-Geschichte
Im ersten Problemkreis (1) steht die quantitativ-deskriptive Analyse der in den Texten thematisierten Krankheiten im Vordergrund; dabei gilt es vor allem häufig wiederkehrende Krankheitsbilder und Symptomkomplexe diesseits und jenseits etablierter Diagnoseschemata ausfindig zu machen, die bevorzugt mit Migration verknüpft werden. Dabei ist freilich auch die Spezifizität literarischer Krankheitsdarstellung zu berücksichtigen, die stets mehr ist als bloße ‘Befundung’ im Sinne der Biomedizin. Im zweiten Fragenkomplex (2) geht es um die durch diese Krankheiten ausgelösten Neuverhandlungen individueller Identität und die Analyse der in den Texten entworfenen (zumeist polyvalenten) Identitätskonzepte, die in vielen Fällen Rückschlüsse auf die Biographien der AutorInnen und ihre Bewältigungsstrategien einer instabilen Verortung im kulturellen und linguistischen ‘Dazwischen’ gestatten. Besonderes Augenmerk soll hier auch einer möglichen ‘kreativen’ Umwertung der ‘Krankheit des Exils’ in ein positiv konnotiertes initiatiorisches Moment und einen Motor zur Revision überkommener Selbst- und Fremdkonzepte geschenkt werden. In einem dritten Schritt (3) steht nicht mehr das individuelle Krankheitserleben sondern die kulturelle Modellierung von Medizin im Allgemeinen und Krankheit im Besonderen im Mittelpunkt. Es interessieren vor allem Situationen, in denen unterschiedliche ‘Medizinkulturen’, bspw. westliche Biomedizin und traditionelle Heilverfahren – sehr oft friktionsreich – aufeinanderprallen und in denen Therapieverfahren, wie beispielsweise die westliche Psychoanalyse, über kulturelle Grenzen hinweg ‘migrieren’: diese kulturellen Transferprozesse werfen unter anderem Fragen nach den ‘Gelingbedingungen’ kultureller Übersetzung auf (Bachmann-Medick 2010, 253). In einem letzten Fragenkomplex (4) werden individuelle Krankengeschichten und kollektive Geschichte verknüpft. Dabei geht es vor allem um die Frage, inwiefern ‘Krankengeschichten’ im Zeichen einer ‘Wiederkehr des Verdrängten’ stehen und als ‘Gegengeschichten’ im Sinne Homi K. Bhabhas (1990, 300) fungieren, die ‘Umkartierungen’ von kulturellen Gedächtnislandschaften erlauben.
Anmerkungen
keine
- Ersteller des Eintrags
- Julia Pröll
- Erstellungsdatum
- Donnerstag, 08. Dezember 2011, 10:27 Uhr
- Letzte Änderung
- Freitag, 14. Dezember 2012, 16:01 Uhr