Selbstpositionierung in der Wissenschaft? (Veranstaltungsprojekt)

Zwischen dem Universalitätsanspruch der klassischen Episteme und der Partialität situierten Wissens


Allgemeine Angaben

Projektbeginn
Freitag, 07. Juli 2023
Projektende
Freitag, 07. Juli 2023
Status
abgeschlossen
Weiterführender Link
https://www.dfdk-dijon.uni-mainz.de/2023/05/08/deutsch-franzoesischer-workshop/
Thematik nach Sprachen
Französisch, Deutsch
Disziplin(en)
Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
Schlagwörter
Wissenschaft, Donna Haraway, Selbstpositionierung, Methodologie für die Promotion, Situiertes Wissen

Aktiv beteiligte Person(en)

(z.B. Kooperation, Mitarbeiter, Fellows)

Mélissa Buecher-NelsonWinfried EckelMarie-Pierre HarderAndreas HartmannAnna HesseCornelis Menke


Exposé

Das Ideal der Objektivität verbindet die modernen Wissenschaften. Je nach Auslegung kann durchaus Unterschiedliches darunter verstanden werden: Sachangemessenheit, intersubjektive Nachvollziehbarkeit, Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit, Interesselosigkeit, Distanz zum Gegenstand, Trennung von Theorie und Praxis u.a. Von Verfechter:innen einer sogenannten engagierten Wissenschaft ist dieses Ideal, in der einen oder anderen Bedeutung, in den letzten Jahrzehnten in Frage gestellt worden. So hat der Philosoph Jürgen Habermas auf den grundlegenden Zusammenhang von „Erkenntnis und Interesse“ verwiesen und die Vorstellung einer „interesselosen“ Wissenschaft als objektivistische Selbsttäuschung entlarvt. Die feministische Wissenschaftstheoretikerin Donna Haraway hat argumentiert, dass wirkliche „Objektivität“ immer an eine partikulare Perspektive gebunden ist und darum, entgegen der traditionellen Auffassung, gerade keinen Anspruch auf universelle Gültigkeit implizieren kann: Jedes Wissen sei immer ein „situiertes Wissen“. Es sei daher notwendig, in der Wissenschaft den eigenen zufälligen Standpunkt, von dem aus beobachtet werde, im Hinblick auf Kategorien wie race, gender, geography usw. zu markieren, um sich mit den eigenen Voreingenommenheiten der Kritik zu stellen. Wer stattdessen einen umfassenden und gleichsam göttlichen Blick „von nirgendwo“ suggeriere, suche oft nur zu kaschieren, dass er oder sie vom „Standpunkt des Mannes und des Weißen“ aus spreche. Von ähnlichen Überlegungen her haben Vertreter einer dekolonialistischen Wissenschaftskonzeption wie Aníbal Quijano und Walter Mignolo der westlichen Wissenschaft generell Eurozentrismus vorgeworfen und von einer „Kolonialität des Wissens“ gesprochen. Die Idee der Objektivität als Universalität erscheint hier als tendenziell ideologisch, die ihr verpflichtete Wissenschaft als Ausdruck von Machtinteressen.

Wie soll man sich als Doktorand oder Doktorandin an einer westlichen Universität einer solch radikalen Infragestellung des Objektivitätskonzepts gegenüber verhalten? Kann es Wissen („knowledges“) nur noch im Plural geben, wie Haraway meint? Müssen fortan die Verfasser:innen von Dissertationen sich mit ihren kontingenten Identitäten (Geschlecht, Herkunft, Bildungsgang usw.) in ihren Texten zu erkennen geben, um ihre Wissensansprüche zu lokalisieren und einzugrenzen? Oder ist, gerade auch im Kontext der Globalisierung, an der mit der klassischen Idee der Objektivität verbundenen Vorstellung einer Einheit des Wissens festzuhalten, um zu verhindern, dass, entlang identitärer Bruchlinien, Wissen unendlich zerfällt? Ist die Vorstellung einer solchen Einheit nicht zumindest als „regulative Idee“ (Kant) vorausgesetzt, wenn man mit Haraway eine „Übersetzung“ zwischen Wissensgemeinschaften in einem globalen Netzwerk für möglich hält? Aber wäre nicht auch dann eine Selbstpositionierung der Forschenden in der Wissenschaft wünschenswert? Oder verbietet der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit die Verwendung des Pronomens „ich“?

Diese und ähnliche Fragen, die mehr oder weniger deutlich alle Promotionsprojekte unseres Kollegs betreffen, stehen im Zentrum des eintägigen Workshops. Mit ihrer wissenschaftstheoretischen Expertise werden uns zwei Fachleute mit unterschiedlichen Sichtweisen durch den Tag begleiten: die Komparatistin Marie‐Pierre Harder, Maîtresse de conférence an der Université Lyon 2, und der Philosoph Cornelis Menke, Professor für Geschichte und Philosophie der Wissenschaften und Leiter des Studium Generale an der Universität Mainz. Auf dem Programm stehen: Austausch der Doktorand:innen, Statements der Experten, Diskussion ausgewählter Texte zum Thema in Gruppen und im Plenum sowie eine öffentliche Podiumsdiskussion. Arbeitssprachen des Workshops sind Deutsch und Französisch.

Bei dem interdisziplinären Workshop soll die Offenheit für andere Auffassungen die Gesprächsatmosphäre bestimmen. Gemeinsam werden die unterschiedlichen Positionen diskutiert und gleichermaßen respektiert.

Die Veranstalter:innen freuen sich auf Ihre Teilnahme!

Anmeldung bitte online unter: https://www.dfdk-dijon.uni-mainz.de/atelier-selbstpositionierung/.

Anmeldefrist: 01. Juni 2023.

Die Teilnehmer:innenzahl ist begrenzt. Für die Teilnahme am Workshop sind passive Kenntnisse in Deutsch und Französisch erforderlich.


Anmerkungen

Deutsch-Französischer Workshop für Promovierende

Ersteller des Eintrags
Mélissa Buecher-Nelson
Erstellungsdatum
Montag, 26. Februar 2024, 21:37 Uhr
Letzte Änderung
Montag, 26. Februar 2024, 21:37 Uhr