Priscians Darstellung der lateinischen Konjunktionen (Monographie)

Lateinischer Text und kommentierte deutsche Übersetzung des 16. Buches der "Institutiones Grammaticae"


Allgemeine Angaben

Autor(en)

Axel Schönberger

Verlag
Valentia
Stadt
Frankfurt am Main
Publikationsdatum
2010
Auflage
1
Reihe
Bibliotheca Romanica et Latina; Band 11
ISBN
978-3-936132-09-0 ( im KVK suchen )
Thematik nach Sprachen
Sprachübergreifend, Latein
Disziplin(en)
Sprachwissenschaft
Schlagwörter
Grammatikographie, Latinistik

Exposé

Mit vorliegender Veröffentlichung meiner kommentierten Übersetzung des 16. Buches von Priscians Īnstitūtiō dē arte grammaticā, wie das Werk wohl ursprünglich hieß, liegt nunmehr nach Pronomen und Präposition bereits der dritte Redeteil aus seiner wissenschaftlichen Grammatik erstmalig auf deutsch vor, so daß der Text auch von Studenten der Romanischen Philologie und anderer Disziplinen ohne ausreichende Lesekenntnisse im Lateinischen und Griechischen gelesen werden kann.
Das Werk des Apollonios Dyskolos über die griechischen Konjunktionen, ein Meisterwerk kaiserzeitlicher griechischer Sprachwissenschaft, dessen Methodik Priscian wie immer übernimmt, ist großenteils erhalten und Studenten der Romanischen Philologie unter anderem in einer kommentierten zweisprachigen Ausgabe in französischer Übersetzung zugänglich. Priscians unternimmt es auch in seiner Abhandlung über die lateinischen Konjunktionen, die ältere Schriftsprache mittels dieser Methode, die er erstmals auf das Lateinische anwandte, so genau wie möglich zu beschreiben. Ihm gelingt auf diese Weise eine neue, differenzierte Klassifizierung der lateinischen Konjunktionen, die über Jahrhunderte in ganz Europa rezipiert wurde.
Der Anhang dieses Bandes enthält nicht nur, wie üblich, den anastatisch wiedergegebenen lateinischen Text von Hertzens Edition aus den Grammaticī Latīnī, sondern auch die Korrekturliste zu seiner Ausgabe der Īnstitūtiōnēs Grammaticae sowie die beiden Indices zum Gesamtwerk Priscians, das den zweiten und dritten Band der Keilschen Ausgabe füllt.

Frankfurt am Main, im Februar 2010
Axel Schönberger

Inhalt

Textauszug:

[2.2.17 Kompletive Konjunktionen]

Die kompletiven Konjunktionen sind uērō, autem, quidem, equidem, quoque, enim, nam und namque, und beinahe alle beliebigen Konjunktionen, die des [rhetorischen] Schmucks oder des Versmaßes wegen ohne jegliche Bedeutungserfordernis gesetzt werden, werden mit dieser Bezeichnung benannt. All diese kommen aber bei den anderen Arten vor, wie es, wenn ich Aenēās uērō et pius et fortis fuit sage, eine kompletive Konjunktion ist, weil auch, wenn uērō weggenommen wird, die Bedeutung erhalten bleibt; wenn ich aber Aenēās quidem pius fuit, Vlixēs uērō astūtus sage, wird es anstelle einer kopulativen Konjunktion gebraucht, weil es die Bedeutung beider Dinge zugleich zusammen mit der Existenz bezeichnet. Man kann es auch eine distributive Konjunktion nennen, weil sie unterschiedlichen Personen unterschiedliche Dinge zuteilt. Daß es eine kompletive Konjunktion ist, zeigt auch Sallust in seiner Catilinarischen Verschwörung:

(55) uērum enim uērō is dēmum mihī uīuere et fruī animā uidētur;

hier ist nämlich uērō des [rhetorischen] Schmucks wegen beigefügt wurden, obgleich es auch eine approbative Konjunktion sein kann. Auf ähnliche Weise Vergil im zwölften Buch:

(18ˈ) equidem meruī nec dēprecor, inquit.

Der Sinn könnte auch ohne equidem feststehen, wenn er ego meruī nec dēprecor gesagt hätte, aber entweder des Versmaßes oder des [rhetorischen] Schmucks wegen hat er equidem beigefügt. Daher hat er auch nicht autem oder dessen in Nachstellung vorkommende [Entsprechungen] uērō oder tamen in den Satz hineingebracht, was auch selbst sehr oft als kompletive Konjunktion vorgefunden wird, wie Statius im elften Buch:

(56) Mē miseram, uincēs! prius haec tamen arma necesse̮est,
experiāre domī.

Man muß aber wissen, daß manche glauben, daß die Konjunktion equidem aus ego und quidem zusammengesetzt sei; aber sie täuschen sich, sie ist nämlich einfach, und dies können wir besonders auch aus ihrer eigenen Satzsyntax ersehen. Wir sagen nämlich equidem faciō, equidem facis, equidem facit, und sie kann auf die erste, zweite und dritte Person bezogen werden, was keineswegs vorkäme, wenn sie eine Zusammensetzung aus ego und quidem wäre. Niemand sagt nämlich ‘ego quidem facis’, ‘ego quidem facit’, sondern nur zur ersten Person ego quidem faciō. Und dies bestätigt auch der Sprachgebrauch der Schriftsteller, welche, wenn equidem vorangeht, ego anschließen, wie Sallust in seiner Catilinarischen Verschwörung:

(57) equidem ego sīc exīstimō, patrēs cōnscrīptī, omnēs cruciātūs;

wenn equidem nämlich aus ego und quidem zusammengesetzt wäre, würde ihm keineswegs ego nachgestellt.
Wenn quoque für etiam oder et gebraucht wird, ist es eine kopulative Konjunktion, wie Vergil im siebten Buch:

(58) Tū quoque lītoribus nostrīs, Aenēia nūtrīx;

wenn es aber überflüssig gebraucht wird, ist es eine kompletive Konjunktion, wie Vergil im ersten Buch:

(59) Multa quoque̮et bellō passus, dum conderet urbem;

der Sinn benötigte sie [die Konjunktion] nämlich nicht, wenn er multa et bellō passus gesagt hätte — falls sie nicht, was manche glauben, anstelle eines Ähnlichkeitsadverbs wie item gebraucht sein sollte. Auch enim bezeichnet, wenn es eine kausale [Konjunktion] ist, das γάρ, wie cole pudicītiam, haec enim fundāmentum est omnium animī uirtūtum. Es kommt aber auch als kompletive Konjunktion vor, wenn es die griechische Konjunktion δή bedeutet, wie:

(60) Prōgeniem sed enim Trŏiiānō̮ā sanguine dūcī
audierat,

Vergil im ersten Buch. Dieselbe kommt auch anstelle einer affirmativen Konjunktion vor, wie Terenz in der Andria:

(61) Enim uērō, Dāuē, nihil locī est sēgnitiae neque socordiae,

und sie hat diese Bedeutung besonders dann, wenn sie vorangestellt wird, wie derselbe in den Adelphen:

(62) enim nōn sinam.

Auf ähnliche Weise kommt es vor, daß nam bald die griechische Konjunktion γάρ, bald die griechische kompletive oder affirmative Konjunktion δή bezeichnet, wie Vergil im vierten Buch der Geōrgica:

(63) Nam quis tē, iuuenum cōnfīdentissime, nostrās,

τίς δή, hier hat es die Funktion einer parapleromatischen Konjunktion. Derselbe im fünften Buch [der Aeneis]:

(7ˈ) Heu, quianam tantī cinxērunt aethera nimbī?

Derselbe im ersten Buch seiner Aeneis:

(16ˈ) Aeole, namque tibī dīuum pater atque̮hominum rex;

hier ist es eine kausale Konjunktion.


Anmerkungen

Erste Übersetzung dieses Textes in eine moderne Sprache; dritter Band der Gesamtausgabe der deutschen Übersetzung Priscians.

Ersteller des Eintrags
Axel Schönberger
Erstellungsdatum
Mittwoch, 23. Juni 2010, 22:24 Uhr
Letzte Änderung
Mittwoch, 23. Juni 2010, 22:24 Uhr