Oral History und Kuba

Das Gedächtnis Kubas stellt einen Versuch dar, die kubanische Revolution aus der Sicht “ihrer” Teilnehmer (d.h. der Mitglieder der Bewegung 26. Juli) sowie nachfolgender Generationen zu begreifen. Auf Grundlage qualitativer Interviews wird dabei das individuelle in Beziehung zum kollektiven Gedächtnis der Revolution gesetzt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden in dem Sinne kontextualisiert, als dass sie mit weiteren Darstellungen zur kubanischen Revolution verglichen werden, und diese mal stützen, ihnen aber auch widersprechen.

Das Buch ist insofern eine methodische Neuerung, als dass Oral History auf Kuba 30 Jahre lang ein Nischendasein führte bzw. nicht vorhanden war, und nun das erste – wenn auch kleine – abgeschlossene Projekt dieser Art ist. Neben der Analyse, die gut die Hälfte des Buches ausmacht, sind ausgewählte (und übersetzte) Interviews mit veröffentlicht, die dem Leser eine eigene Interpretation ermöglichen, vor allem aber dem Sinn von Oral History gerecht werden sollen, nämlich die Zeitzeugen für sich sprechen zu lassen.

Als eine der Hauptthesen wird eine anhaltende, relativ hohe Zustimmung zum revolutionären Prozess auf Kuba herausgearbeitet, der in erster Linie darauf beruht, dass die Revolution trotz ihrer wirtschaftlichen und demokratischen Defizite vielen Kubanern ihre Würde (zurück)gab. Allerdings unterliegt diese Zustimmung generationellen Veränderungen. Mit der graduellen Verschiebung des Erinnerungsprofils der kubanischen Gesellschaft wird die aktuelle Führung daher langfristig vor immer weitere Herausforderungen gestellt.