Stadt: Lausanne, Schweiz

Frist: 2016-10-14

Beginn: 2017-05-11

Ende: 2017-05-13

Université de Lausanne (UNIL)

In der Epoche der Aufklärung strebten viele gelehrte Frauen in die öffentliche Sphäre, die ihnen bis dahin (weitestgehend) verschlossen geblieben war: Als Autorinnen, Übersetzerinnen und Kulturvermittlerinnen überwanden sie die Grenzen des privaten Raums, um aktiv am literarischen Feld teilzuhaben, indem sie schrieben, übersetzten – und veröffentlichten.

An der Schnittstelle zwischen Übersetzungswissenschaft, Gender Studies und transkulturellen Ansätzen der Literaturforschung nimmt die Tagung die Aktivitäten literarischer Akteurinnen aus zwei komplementären Perspektiven in den Blick: Die erste zielt auf die Strategien weiblicher Selbstbehauptung auf dem literarischen Markt, in der Verlagswelt und in intellektuellen Zirkeln. Wie haben Frauen ihre Marginalisierung im traditionell männlich dominierten Kultur- und Wissenschaftsbetrieb überwinden können? Die zweite Perspektive richtet sich auf den besonderen Stellenwert der Praxis literarischen Übersetzens und auf die heterogenen Strategien der Literaturübersetzerinnen, die nach Anerkennung für ihre Arbeit und ihren Beitrag zum literarischen und kulturellen Austausch strebten: Wie und aus welchen Gründen haben sie entweder ihre eigene Stimme im übersetzten Text markiert, oder im Gegenteil versucht, alle Spuren ihres Tuns im Zieltext zu tilgen und als Übersetzerin unsichtbar zu bleiben?

Der gewählte Zeitraum umfasst die Epoche der europäischen Aufklärung, die für Frauen mit neuen Möglichkeiten der Teilhabe am kulturellen Leben und am literarischen Markt einherging, und reicht bis ins 19. Jahrhundert hinein – einer Zeit, in der sich der Buchmarkt professionalisierte und gerade auch durch die weibliche Leserschaft stetig anwuchs.

Ausgehend von Sherry Simons Feststellung, dass die Bedeutung, die der Rolle von Übersetzer_innen zugeschrieben wird, selbst historisch und sozial konstruiert ist, richtet sich der Fokus der Konferenz auf die Selbstbilder gelehrter Frauen der Aufklärung, die oft zwischen sozialen Rollenmustern und persönlichen Ambitionen hin- und hergerissen waren: Für Übersetzerinnen, Autorinnen und Kulturvermittlerinnen galt es, sich neu zu verorten und einen produktiven Ausgleich zu finden zwischen ihrem kreativen Potential, den traditionellen restriktiven Geschlechterrollen und zeitgenössischen philosophischen Konzepten, in denen die Gleichheit der Menschen gefordert wurde – und manchmal auch die zwischen den Geschlechtern. Die von gelehrten Frauen gewählten oder ihnen aufgezwungenen Rollen reichen von der “Gehülfin” (einem Begriff, mit dem J.C. Gottsched seine Frau, die Autorin und Übersetzerin Luise Gottsched, bezeichnete) – die ihre literarischen Aktivitäten ganz in den Dienst des Ehemannes oder des Vaters stellt – bis zur autonom agierenden Dichter-Übersetzerin oder angesehenen Gelehrten wie Anne Dacier. Neben den Werken herausragender Akteurinnen wie Sophie Mereau, Germaine de Staël oder Sarah Austin will die Konferenz auch die Tätigkeit weniger bekannter oder vergessener Autorinnen, Übersetzerinnen und Kulturvermittlerinnen ans Licht bringen.

Die Konferenz richtet sich an Wissenschaftler_innen mit Interesse an der Geschichte weiblicher Übersetzer und am europäischen Literatur- und Kulturaustausch des 18. und 19. Jahrhunderts. Sie ist offen für Beiträge verschiedener Fachrichtungen, insbesondere der romanistischen, germanistischen und anglistischen Literaturwissenschaft, der Übersetzungswissenschaft und der Transkulturalitätsforschung. Junge Forscherinnen und Forscher sind herzlich eingeladen, ihre Themenvorschläge einzureichen.

Themenauswahl:

  • Wider Geschlechterstereotypen und soziale Normen: gelehrte Frauen und ihre Strategien der Selbstrepräsentation
  • (Un)Sichtbar – Übersetzerinnen und das Spiel mit der Identität: Untersuchung von (männlichen) Pseudonymen, Masken und Doppelgängerinnen
  • Das Phänomen der Dichter-Übersetzerinnen: gelehrte Frauen zwischen écriture und réécriture
  • Übersetzungsstrategien als Marker von Affirmation oder Subversion traditioneller Frauenbilder
  • Original – Übersetzung – Paratext: die Funktion von Widmungen, Vorworten und Anmerkungen der Übersetzerinnen
  • Die literarische Übersetzung und ihr kommunikativer Kontext: Briefwechsel zwischen Übersetzerinnen, Autor_innen und Verlegern
  • Gelehrte Frauen und die Praxis der Selbstübersetzung
  • Der Zugang gelehrter Frauen zum Buchmarkt und zu literarischen Zirkeln: Strategien der Professionalisierung
  • Gouvernante, Sprachlehrerin, Übersetzerin: gelehrte Frauen und die Bedeutung ihrer beruflichen Tätigkeiten an europäischen Adelshöfen
  • Gelehrte Frauen im Spiegel der Literaturkritik (damals und heute)

Unter den gelehrten Frauen/Übersetzerinnen/Kulturvermittlerinnen der Aufklärung interessieren uns besonders:
Sarah Austin (1793–1867); Jeanne-Marie Leprince de Beaumont (1711–1780) ; Elisabeth Bekker (Betje Wolff, 1738–1804); Charlotte Sophie Comtesse de Bentinck (1715–1800); Octavie Beloz (1719–1804); Aloïse de Carlowitz (1797–1863); Elizabeth Carter (1717–1806); Isabelle de Charrière (1740–1805); Emilie du Châtelet (1706–1749); Anne Dacier (1654–1720) ; Marie-Elisabeth de La Fite (1737–1794); Anne Finch (1661–1720) ; Sarah Fielding (1710–1768); Eliza Haywood (1693–1756) ; Luise Gottsched (1713–1762); Luisa Bergalli Gozzi (1703–1779); Elizabeth Gunning (1769–1823); Elizabeth Inchbald (1753–1821) ; Dorothea Margareta Liebeskind (1765–1853); Charlotte Lennox (1720–1804); Harriet Martineau (1802–1876); Isabelle de Montolieu (1751–1832); Sophie Mereau (1770–1806) ; Benedikte Naubert (1752–1819); Charlotte von Schiller (1766–1826); Charlotte Smith (1749–1806) ; Germaine de Staël (1766–1817); Dorothea Tieck (1799–1841); Elisabetta Caminer Turra (1751–1796); Helene Unger (1741/1751–1813) ; Henriette Guizot de Witt (1829–1908); Mary Wollstonecraft (1759–1797)

Bitte schicken Sie Ihre Themenvorschläge (Umfang: 300 Wörter) mit einer kurzen Bio-Bibliographie und der Angabe Ihrer universitären Anbindung bis Freitag, den 14. Oktober 2016, an Angela Sanmann (Angela.Sanmann@unil.ch)

Die Konferenzsprachen sind Französisch, Englisch und Deutsch. Die Teilnehmer_innen werden bis Montag, den 5. Dezember 2016 benachrichtigt. Eine Publikation mit ausgewählten Tagungsbeiträgen ist geplant.

Weitere Informationen werden auf der noch einzurichtenden Konferenzwebsite bekanntgegeben (siehe Website des Centre de traduction littéraire (CTL), der Section d’allemand und der Section d’anglais). Bei Fragen wenden Sie sich auch gerne an: Angela.Sanmann@unil.ch

Organisation:
Angela Sanmann (Section d’allemand, Ass.-Prof. für Übersetzungswissenschaft, UNIL)
Martine Hennard Dutheil de la Rochère (Section d’anglais, Professorin für Anglistische und Vergleichende Literaturwissenschaft, UNIL)
Valérie Cossy (Section d’anglais, Professorin für Gender Studies/Etudes de Genre, UNIL)

Kooperationspartner an der UNIL:
Section d’allemand
Section d’anglais
Plateforme interfacultaire en Etudes Genre – PlaGe

Kontaktadresse :
Ass.-Prof. Dr. Angela Sanmann
Université de Lausanne
Section d’allemand
Anthropole / 4064
CH-1015 Lausanne
+ 41 21 692 44 55