Stadt: Heidelberg

Frist: 2014-11-01

Beginn: 2015-03-18

Ende: 2015-03-22

URL: http://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/neuphil/iask/sued/iaz/20ht/sektionen/lw_de.html

Transkulturelle Aushandlung literarischer Modernismen zwischen Frankreich, Spanien und Lateinamerika (1890-1920)
Dr. Stephanie Lang (Universität Heidelberg); Herle-Christin Jessen (Universität Heidelberg)

Seit im Zuge der postmodernen wie postkolonialen Debatten die Linearität historischer Entwicklung und die räumliche Struktur der kulturellen Welt in Frage gestellt wird, muss auch die Grande Narration des literarischen Modernismus einer differenzierteren Sichtweise unterworfen werden. So widmet sich die Sektion einer plurizentrischen ‚Modernität‘, innerhalb derer literarische Modalitäten verschiedener ‚Modernismen‘ ausgehandelt werden. Im Zeitraum von etwa 1890 bis 1920 soll insbesondere die literarische Dreiecksbeziehung Frankreich – Spanien – Lateinamerika in den Fokus genommen und hinterfragt werden. Vom französischen Symbolismus sowie Dekadentismus über den hispanoamerikanischen modernismo Daríos und das spanische Doppel aus modernismo und Generación del 98 bis zu den beginnenden Avantgarden in Europa und Lateinamerika eröffnet sich ein komplexes Feld wechselseitiger Einflüsse, das ebenso von innerliterarischen Mechanismen wie von der Frage nach (national) identitärer oder soziopolitischer Verortung bestimmt ist.
„París es hoy la capital del orbe, la tierra donde germinan y florecen las ideas que han de servir de pasto a todos los cerebros“, schreibt Azorín 1897. So erscheint Frankreich als Zentrum par excellence, dessen hegemoniale Messlatte literarische ‚Rezeption‘ als Epigonentum erscheinen lässt. Konzepte wie die „modernidad periférica“ (Beatriz Sarlo) Lateinamerikas oder die „modernidad transversal“ (Jochen Mecke) eines Spaniens auf dem kulturellen „Sonderweg“ halten zwar an der kulturellen Differentialität fest, versuchen sie jedoch zunehmend als kreativen Mehrwert zu fassen. Während die deutsche Romanistik im Blick auf Spanien und Lateinamerika oftmals einer frankoromanistischen Zentrierung erlag, zog die Pflege des „Sonderwegs“ etwa in der spanischen Hispanistik eher eine Vernachlässigung ‚europäischer‘ Diskurstraditionen nach sich (vgl. die Polemik zur Generación del 98). Die Differenzierung dieser Ansätze (etwa auch im Aufbrechen einer lateinamerikanischen Literatur) führte zu einem Perspektivenwechsel, der unilaterale Rezeption durch wechselseitige Aushandlung ersetzt. Dadurch wird die Diskussion multipler ‚Zentren‘ ermöglicht, so dass nicht nur die Einfluss-Richtung problematisiert, sondern auch eine jeweilige ‚innere‘ Entwicklung literarischer Modalitäten verstärkt untersucht werden kann.

Die Sektion nimmt sich daher vor, das Potential einer postmodernen wie postkolonialen Perspektive weiter auszubauen und in Bezug auf die Modernismen die Dezentralisierung literarischer Konventionen voranzutreiben. Zwischen „Gedächtnis und Zukunft“ der hispanistischen Forschung sollen alte ‚Zentren‘ hinterfragt und neue erörtert werden; dabei ist die Heterogenität der kulturellen bzw. literarischen Entwicklung auch auf der Ebene der traditionellen Konzepte und Periodisierungen stärker zu berücksichtigen.
Die Sektionsarbeit soll sich an folgenden möglichen Schwerpunkten orientieren:

1. Genese und Aushandlung von ‚modernistischen‘ Themen und Motiven in den Literaturen eines oder bestenfalls mehrerer kultureller Räume (Frankreich / Spanien / Lateinamerika), wobei besonders eine Differenzierung des ‚lateinamerikanischen‘ Paradigmas wünschenswert ist. Hier stellt sich – zwischen kulturellem Autonomiestreben und der Orientierung am ästhetischen Prestige französischer Literaturproduktion – beispielsweise die Frage nach dem soziopolitischen Potential hispanischer Modernismen. Zusätzlich birgt die Frage nach (der bewussten Inszenierung von) Intertexten aus ‚autochtonen‘ Literaturen im Gegensatz zur europäischen Rezeption das Potential, bestehende Machtmechanismen auch im literarischen Feld zu problematisieren.
2. Genese und Auslotung poetologischer Aspekte und formaler Textkriterien bzw. neuer Gattungen (wie dem Prosagedicht). Das Infragestellen einer homogenen Modernität kann für den ‚peripheren‘ Kontext zu einem Aufbrechen poetologischer Traditionen oder genretypischer Definitionen führen und den modernismo um Modernismen außerhalb der symbolistischen Tradition erweitern.
3. Literaturtheoretische Ansätze zur transkulturellen Aushandlung der Modernismen. Ein Perspektivenwechsel, wie ihn beispielsweise der translational turn in der Untersuchung wechselseitiger kultureller Übersetzungsvorgänge befördert, kann die räumliche Wahrnehmung rezeptiver Vorgänge verschieben und gezielt Mechanismen der Inszenierung von Zentralität / Peripherität hinterfragen.
4. Schließlich bieten sich weiterführende theoretische bzw. terminologische Überlegungen an: So können mit der Aushandlung differentieller Modernismen zwischen ästhetischer Mode und gesellschaftspolitischer Orientierung die Konzepte von ‚Modernität‘ oder ‚Moderne‘ insgesamt problematisiert und um neue Facetten bereichert werden, ohne diese als peripher markieren zu müssen.

Die Sektion findet in spanischer Sprache statt.
Interessenten sind gebeten, ein Abstract von ca. 400 Wörtern bis zum 1. November 2014 an die beiden Sektionsleiterinnen zu schicken:
herle.jessen@rose.uni-heidelberg.de; stephanie.lang@rose.uni-heidelberg.de

Beitrag von: Stephanie Lang, Herle-Christin Jessen

Beitrag von: Reto Zöllner

Redaktion: Reto Zöllner