Stadt: Osnabrück

Frist: 2018-01-15

Beginn: 2018-09-26

Ende: 2018-09-29

URL: http://www.francoromanistes.de/fileadmin/verband/frv/documents/CfP_Frankoromanistentag_Osnabrueck2018.pdf

Sektionsleitung: Sandra Issel-Dombert & Aline Wieders-Lohéac (Universität Kassel)
Sprachwissenschaftliche Sektion beim 11. Kongress des Frankoromanistenverbands

Call for Abstracts

Krisen haben ihre eigene Sprache. Krisen spiegeln sich in Sprache. Krisen entstehen durch Sprache. Was eine Krise ist, verhandelt die Öffentlichkeit in Parlamenten, Medien und persönlichen Gesprächen in sprachlichen Aushandlungsprozessen. Die Krise ist dabei – auch in der Sprache – die Gegenspielerin der Kontinuität. Sie ist eine Zeit der erzwungenen Transformation und damit des Kampfes konkurrierender Gesellschaftserzählungen. Aus diskurslinguistischer Sicht ist sie eine Periode des Weltanschauungs- und Wortkampfes, die sich zwischen zwei Perioden des gesellschaftlichen und sprachlichen Friedens schiebt. In ihr sind die alten Gesellschaftserzählungen und der sprachliche Konsens des Davor aufgekündigt, ohne dass ein neuer sprachlicher und gesellschaftlicher Konsens, eine neue Befriedung für die Zeit des Danach, bereits gefunden wäre. Um sie wird in der Krise gerungen. Als Zuspitzung, als Wendepunkt, als Entscheidung ist die Krise ein Kampf um Deutung, Bedeutung und Umdeutung und damit das zeitlich-räumliche Terrain der Populisten, die in der Krise ihre Chance sehen und den sprachlichen Kampf am radikalsten führen. Sie fordern nicht nur Transformation, sondern den vollständigen Bruch mit den alten Erzählungen und mitunter dem sprachlichen Konsens. So werden Begrifflichkeiten aktualisiert und umgedeutet, neue geschaffen und positiv oder negativ aufgeladen, werden gesellschaftliche Zustände neu bewertet. Nicht selten explizieren populistische Bewegungen ihre Transformationsmotivation selbst als “Krieg gegen das Establishment”, konstruieren Katastrophe und Niedergang ebenso wie den Weg zu ihrer Überwindung und den aussichtsreiche Neubeginn am Ende der Krise. Der Populismus als Kraft der (moralischen, politischen, zeitgeschichtlichen) Überwindung wird von der Krise beschworen und beschwört die Krise. Damit wirkt er in der Sprache als produktive Kraft und verändert den Diskurs, fordert gesellschaftliche Gegenbewegungen heraus und diffundiert seine Sprache und Gedanken in den gesellschaftlichen Mainstream – und damit in die Zeit des Friedens nach der Krise.
Zum Agenten der Krise im Diskurs kann dabei heutzutage jeder werden: (online) alle Individuen oder ganze Bewegungen wie Nuit debout, Le Printemps Érable, La France Insoumise oder En Marche. Wortreich und kreativ protestieren sie gegen die derzeitige Situation und fordern einen Neubeginn. Anderen wiederum ist es bereits zu viel des Wandels. Sie vereinen sich in konservativen (populistischen) Bewegungen wie der Manif pour tous und sehen den (moralischen) Neubeginn im Rückschritt. Diese gesellschaftliche Sphäre wechselwirkt auch mit der parlamentarischen, wo vor allem rechte populistische Parteien von der Krise profitieren und sie durch Homogenität zu überwinden versprechen, die es, betrachtet man die Krisendiskurse, nicht zu geben scheint.
Aus diskurs- und politolinguistischer Perspektive wollen wir den sprachlichen Konstruktionen populistischer Bewegungen im Wortkampf der Krise nachgehen und damit ihrem Bild und Einfluss im Frieden des Davor und Danach. Wir wollen Brüche, Katastrophen und Niedergang ebenso betrachten wie Transformation, Neubeginn und Wandel.
Wie wird der Kampf um die Worte, der Krieg gegen das Establishment in der Krise geführt?
Wie werden Begriffe neu gedeutet bzw. umgedeutet? Welche Vorstellungen vom Davor und Danach der Krise konkurrieren in den jeweiligen Bewegungen?
Wie verändert der Populismus in der Krise Sprache und Diskurse?
Wie konstruieren Populismus und Extremismus die Krise und ihre Überwindung?
Wie unterscheiden sich unterschiedliche populistische Ansätze bzw. verschiedene populistische Agenten in derselben Krise in ihren Diskursen? Wie reagiert das Establishment auf den Kampf, zu dem es sich von den Populisten herausgefordert sieht?
Mit einem breiten methodischen Instrumentarium, auf lexikalischer, syntaktischer, textueller Ebene, uni- oder multimodal, diachron und synchron und auch komparativ wollen wir uns in dieser Sektion der Sprache des Populismus in der Krise als Sprache des Übergangs nähern.

Wir bitten um die Zusendung eines Abstracts Ihres Vortrags inklusive einer kurzen Liste der Literaturangaben (von nicht mehr als 300 Wörtern insgesamt) sowie Ihrer Kurzbiographie bis zum 15. Januar 2018.

Sie erhalten Nachricht über die Annahme Ihres Vortrags bis spätestens 31. Januar 2018.

Kontakt:
Aline Wieders-Lohéac, a.wieders-loheac@uni-kassel.de
Sandra Issel-Dombert, s.issel-dombert@uni-kassel.de

Beitrag von: Aline Wieders-Lohéac

Redaktion: Marcel Schmitt