Stadt: Hannover

Frist: 2018-10-01

Beginn: 2019-01-18

Ende: 2019-01-20

URL: https://www.romanistik.phil.uni-hannover.de/14676.html

Leibniz Universität Hannover
Romanisches Seminar
Anja Bandau, Meike Beyer, Mark Minnes, Natascha Rempel

Call for Papers:

Netzwerke/Werknetze: Transareale Perspektiven auf relationale Ästhetiken, Akteure und Medien (1910-1989)

18.-20.1.2019

In seinem vielbeachteten Buch Der lange Sommer der Theorie (2015) beschreibt Philipp Felsch zu Recht die Museums- und Kunstbuchhandlungen als letzte Ruhestätten einstmals skandalöser Theorieprovokationen. Die scharfe Konkurrenz von Philologie, postmodernem terreur de la théorie und postkolonialen Kulturwissenschaften schien einer geräuschlosen disziplinären Aufgabenverteilung gewichen zu sein. Wenn auch weniger laut und polemisch als in der Vergangenheit, ist diese erstarrte Trias inzwischen jedoch in Bewegung geraten. So verläuft ein vieldiskutierter Theoriebeitrag wie Franco Morettis Distant Reading (2013) transversal zu bisherigen Grenzziehungen. Er steht exemplarisch für ein neues und noch immer diffuses Paradigma der Literatur- und Kulturwissenschaften, das sowohl konzeptuell als auch methodisch nach neuen Wegen sucht. Dies betrifft beispielsweise die Visualisierung räumlicher, sozialer oder sogar dinglicher und begrifflicher Relationen. Indem Konzepte und Methoden aus scheinbar entfernten Arbeitsfeldern (z.B. prozessgenerierte Daten aus Quellen, quantitative und qualitative Methoden, relationale Ästhetik, das Archiv) auf die Literatur- und Kulturwissenschaften übertragen werden, erscheinen ihre traditionellen Forschungsgegenstände in einem neuen Licht. Benachbarte Ansätze wie die relationale Soziologie, die Actor-Network-Theory, aber auch kulturelle Übersetzungsprozesse und histoire croisée spielen in diesem Prozess eine große Rolle. Sie zeugen von dem nicht nur inter-, sondern transdisziplinären Zuschnitt eines potentiell neuen Methodenfeldes.

Die internationale Tagung Netzwerke/Werknetze: Transareale Perspektiven auf relationale Ästhetiken, Akteure und Medien (1910-1989) am Romanischen Seminar der Leibniz Universität Hannover reagiert auf dieses Paradigma relationalen Denkens, Schreibens und Forschens. Wir planen einen zweitägigen Konferenzteil mit interdisziplinären Beiträgen (work in progress ist willkommen) und Impulsen von erfahrenen Forschern. An einem dritten Tag wird sich eine praktische Einführung in das webbasierte Analyse- und Visualisierungstool Nodegoat durch seine Programmierer (Pim van Bree, Geert Kessels) anschließen.

Ausgehend von den oben skizzierten Tendenzen interessiert uns das ‚kurze‘ 20. Jahrhundert (1910-1989) zwischen Mexikanischer Revolution und Berliner Mauerfall. Es handelt sich dabei um eine Epoche, deren mächtigen ideologischen Strömungen heute – auch theoriegeschichtlich – gerade noch spürbar sind. Sie ist durch eine Vielzahl technischer Errungenschaften, den Auf- und Ausbau neuer Kommunikationsstrukturen, transatlantische Verflechtungen und Fluchtbewegungen geprägt. Während aber Konzepte wie Exil oder homo sacer einen teils unwiederbringlichen Verlust, Diaspora das komplexe Imaginäre einer nicht mehr erreichbaren Heimat evozieren, verweisen Netzwerke auf Verbindungen, Bündelungen, Ordnungs- oder Zirkulationsmuster. Letztere betonen oft grenzübergreifende, konsistente wie kontingente Verflechtungen zwischen Akteuren. Unter Werknetzen verstehen wir deren materielle Träger und Repräsentationen.

Wir fokussieren homo sacer, Heimatlosigkeit, Erinnerungs- oder Diasporadiskurse also nicht als eigenständige, stabile Motive. Wir sind an Beiträgen interessiert, die diese ebenfalls transarealen Phänomene in ein Spannungsfeld zu ästhetisch innovativen Relationen und lesbaren, materiellen Spuren versetzen.

Beiträge können sich an folgenden Fragestellungen orientieren:

  • Wie vernetzen sich Künstler, Schriftsteller, Philologen und Theoretiker in Exil und Diaspora? Gibt es korrelierende imaginierte Räume in ihren Werken?
  • Welche ästhetischen und sozialen Ordnungen (z.B. Schulen) entstehen durch diese neuen Netzwerke? Wie ist das Verhältnis zu (Macht-)Strukturen in den Heimatländern?
  • Lassen sich Künstlernetzwerke und ästhetische Verfahrensweisen aufeinander beziehen?
  • Auf welches Theorie- und Methodenangebot, auf welche Konzepte können netzwerkanalytische Arbeiten in den Literatur- und Kulturwissenschaften zurückgreifen?
  • Welche Desiderate und Herausforderungen bleiben für die Romanistik? Wie lassen sich z.B. digitale Visualisierungstools in Lehre und Forschung integrieren?

Interessierte BeiträgerInnen bitten wir bis zum 1.10.2018 um ein Abstract von knapp einer Seite und eine kurze bio-bibliographische Skizze. Bitte wenden Sie sich an: Minnes@romanistik.phil.uni-hannover.de. Konferenzsprachen werden Deutsch und die romanischen Sprachen sein. Der Nodegoat-Workshop findet auf Englisch statt.

Beitrag von: Mark Minnes

Redaktion: Redaktion romanistik.de