Nachruf auf Dr. Hanspeter Plocher (11.04.1942-27.02.2019)

Hanspeter Plocher ist im Februar 2019 verstorben. Seine umfassende Forscher- und Lehrtätigkeit, sein Engagement, seine freundschaftliche Nähe und mehr als nur angenehme Kollegialität sollten nicht in Vergessenheit geraten.
Hanspeter Plocher war nach seinem Studium der Germanistik und Romanistik an den Universitäten Heidelberg und Grenoble und dem Staatsexamen 1968 zunächst als Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft (Bodo Müller) tätig. In Heidelberg promovierte er 1972 “summa cum laude” mit einer Arbeit über das absurde Theater (Antonin Artaud). Ab 1974 war er an der Universität Augsburg zuletzt als Akademischer Direktor bis 2006 am Lehrstuhl für Romanische Literaturwissenschaft (Henning Krauß) tätig.
Daneben war er in zahlreichen Fachverbänden engagiert und einige Jahre lang Leiter der Sektion Franko-kanadische Sprache und Literatur in der Gesellschaft für Kanadastudien (GKS).
Diese trockenen Zeilen sagen noch nicht viel über das umfassende Forscher- und Tätigkeitsinteresse von Hanspeter Plocher aus. Sieht man sich seine zahlreichen Publikationen in der gallo-romanistischen und franko-kanadischen Literaturwissenschaft an, erkennt man unschwer, dass wir es bei Plocher mit einem allseitig interessierten und im positiven Sinne neugierigen Wissenschaftler und Lehrer zu tun haben.
Seine Publikationen reichen über den abgeklopften Kanon weit hinaus von Ionesco bis Senghor, von Artaud zu Michel Tremblay, von Anouilh bis Pirandello und von Molière über Marivaux bis Gide. Seine Vorliebe für das Theater von Molière bis heute ist dabei unübersehbar. Für die franko-kanadische Literatur und speziell das Theater hat er eine Vorreiterrolle gespielt, indem er Aufsätze zu Joseph Quesnel, Michel Tremblay und auch Gratien Gélinas veröffentlicht hat.
Seine Beiträge beispielsweise im «Handbuch Französisch» oder der von J. Grimm herausgegeben «Französischen Literaturgeschichte» sind bahnbrechend und Beispiele seiner großen Belesenheit. Dazu gesellen sich zahlreiche Lexikonartikel zu vielen international bekannten Autoren aus dem französischen Kanada und darüberhinaus. Seine Rezensionen decken ebenfalls ein breites Spektrum der romanistischen und kanadistischen Forschung ab.
Doch Hanspeter Plocher war mehr als “nur” akademischer Lehrer und Forscher. Er war ein leidenschaftlicher Theatermensch, ein Theatermacher, der viele Auszeichnungen in diesem Bereich erhalten hat. Kurz vor seinem Tod stand er noch “mit grandioser Komik” in der Rolle eines alternden Regisseurs auf der Bühne.
Bereits im Jahr 1977 hat Hanspeter Plocher das “Romanistentheater” an der Universität Augsburg gegründet, ist mit dieser Truppe häufig durch die Lande gezogen und hat bei den zahlreichen Tourneen viel Erfolge einheimsen können.
Hanspeter Plochers Theaterengagement war einer Leidenschaft geschuldet, die ihn zum Pionier werden ließ. Er hat die erste deutsche Übersetzung des québecker Theatererfolgs “Les Belles-Sœurs” von Michel Tremblay aus dem Jahr 1968 angefertigt und auf die Bühne gebracht. Dies sagt sich so leicht, ist es aber nicht, wenn man weiß, dass Michel Tremblays Erfolgsstück im wenig verschriftlichten québecker Substandard, dem sogenannten “Joual” geschrieben ist, eine nahezu unübersetzbare vulgärsprachliche, mit zahlreichen Anglizismen durchsetzte, Variante des Québecfranzösischen. Vom gleichen Autor hat er auch “L’Impromptu d’Outremont” übersetzt.
Seine Übersetzung der “Belles-Sœurs” ist im Jahre 1987 in Tübingen beim Max-Niemeyer-Verlag unter dem Titel “Schwesterherzchen” erschienen, zweifellos ein Meilenstein in der Rezeption des zeitgenössischen Theaters aus Québec, über das er ja viel gearbeitet hat. Auch mit diesem Stück ist er auf Tournee gegangen und hat damit große Erfolge eingefahren. Denn dieses flotte 15-Frauen Stück wurde mit eigens dafür komponierten Songs und eigens dafür komponierter Musik unterlegt.
Fast 30 Jahre hat er das Romanistentheater geleitet und 34 Stücke auf die Bühne gebracht mit insgesamt gut und gern 200 Aufführungen von Stücken von René de Obaldia, Jean Giraudoux, Jean Anouilh, Jules Romains, Boris Vian und anderen. Über dreißig Gastspielorte hat er mit seinem Theater bespielt: von Berlin bis Konstanz, von Münster bis Freising, von Regensburg bis Kempten. Und dazu das benachbarte Ausland: von Paris über Versailles nach Bourges und Fribourg. Eine unglaubliche Leistung!
Der Vorhang ist nun für immer gefallen, nicht aber die Erinnerung an einen großartigen Kollegen und enthusiastischen Menschen.

Dr. Peter Klaus (Berlin) im April 2020

Der Frankoromanistenverband bewahrt seinem langjährigen Mitglied ein ehrendes Angedenken.