Stadt: Loveno di Menaggio

Frist: 2021-07-01

Beginn: 2021-09-09

Ende: 2021-09-13

Das neu gegründete Cluster für Europaforschung (CEUS) der Universität des Saarlandes und die Villa Vigoni – Deutsch-Italienisches Zentrum für den Europäischen Dialog beginnen im Sommer 2021 eine längerfristige Kooperation, in deren Zentrum die Ausrichtung gemeinsamer Veranstaltungen zur Reflexion Europas und seiner neu zu gestaltenden Weltrelationen steht. Auf Initiative von Christiane Solte-Gresser und Markus Messling ist das erste „Exzellenzlabor Europa“ in der Villa Vigoni vom 9. bis 13. September 2021 Fragen der Reparation bzw. Irreparabilität von Subjektivität, Geschichte und Natur gewidmet. Ausgehend von einer dekolonialen Perspektive sollen so die Möglichkeiten und Grenzen einer multidirektionalen Erinnerungskultur ausgelotet und verschiedene historische Konstellationen in den Blick genommen werden, in denen Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Humanität als solche erschüttert haben.
Die Forderung nach Reparationen, nach finanzieller Kompensation für die Gewalt und das Unrecht von Sklaverei und Kolonialismus, ist vermutlich so alt wie diese Unrechtssysteme selbst. Doch nur selten wurde diesem Ruf Rechnung getragen: Nach der Haitianischen Revolution 1804 wurden – um nur ein Beispiel zu nennen – nicht die ehemals Versklavten entschädigt, sondern die Plantagenbesitzer für den Verlust ihres angeblichen ‚Besitzes‘. Von Anfang an kehren daher Forderungen nach Reparationen, aber auch symbolischer Reparation und Anerkennung des Unrechts, immer wieder in den öffentlichen Diskurs zurück, und es ist vielleicht kein Zufall, dass auch heute – seit der Diskussion um die 2001 in Durban veranstaltete 3. UNO-Weltkonferenz gegen Rassismus und im Anschluss an die Black Lives Matter Bewegungen – wieder weltweit um Reparationen verhandelt und gestritten wird.
Kein Zufall deshalb, da diese Auseinandersetzungen in eine Zeit fallen, in der zugleich Europa und der ‚Westen‘ in einer tiefen Legitimationskrise stecken, in der die Verwundung und Entzweiung der Weltgesellschaft immer klarer zutage treten und auch die Zerstörung der Welt als Ökosystem offensichtlich ist. Nicht zuletzt durch immer lauter werdende Stimmen aus den ehemaligen Kolonien sieht sich Europa mit der Kehrseite seines lange nicht problematisierten Fortschrittsversprechens konfrontiert: Rassismus, andauernde Kolonialität und Umweltzerstörung. Zugleich setzen sich alte Machtstrukturen im Kampf um Impfstoffverteilung in Zeiten der weltweiten Pandemie fort und soziale Ungleichheiten wachsen. Wie positioniert sich Europa in einer solchen Zeit der Krise? Nimmt es die durch die postkoloniale Debatte geprägte Kritik an der Moderne und ihren problematischen Implikationen zum Anlass, seine Positionierung in der Welt infrage zu stellen und vergangenes Unrecht zu adressieren?
Ausgehend von diesen Fragen widmet sich die vom 9. bis 13. September 2021 an der Villa Vigoni – Deutsch-Italienisches Zentrum für den Europäischen Dialog stattfindende internationale Sommerakademie dem Thema: „Restitution, Reparationen, Reparation – Wege zu einer neuen Weltgesellschaft?“. Ausgangspunkt ist dabei die Frage nach den ethischen Konsequenzen, die mit dem Ruf nach materiellen Reparationen verbunden sind: (Wie) kann Reparation gedacht werden, wenn sie nicht materiell aufwiegen kann, was zerstört wurde, aber auch kein rein symbolischer Akt sein soll? Ist – wie der Philosoph Souleymane Bachir Diagne es begreift – die Möglichkeit, das Irreparable zu adressieren, der einzige Ausgangspunkt für eine neue gemeinsame Humanität? Oder besteht die Gefahr, dass Formen der Reparation für machtstrategische und geopolitische Interessen instrumentalisiert werden, wodurch ein Verhandeln auf Augenhöhe zwischen Europa und der Welt erneut unmöglich gemacht wird? Konkret werden diese Fragen aus vier Perspektiven diskutiert, in denen sich der Blick immer wieder auch auf die Rolle von Narrationen für Reparationsdiskurse und –prozesse richtet.
Gäste der Sommerakademie sind die Literaturwissenschaftlerin Aurélia Kalisky (Berlin) mit ihrer Forschung über Zeug:innenschaft im Kontext der Shoah und kolonialer Verbrechen; die italienische Autorin und public intellectual Igiaba Scego (Rom), die in ihrem vielseitigen literarischen Werk die Erfahrung von Trauma und die Möglichkeiten der Heilung in (post)kolonialen Zusammenhängen thematisiert; die Soziologin Angelica Pesarini (Florenz) und der Sozialanthropologe Jonas Tinius (Saarbrücken), die sich mit gesellschaftlichen Voraussetzungen und Konsequenzen dekolonialer Museumsarbeit in Italien und Deutschland auseinandersetzen; die Schriftstellerin Helena Janeczek (Rom) mit ihrem literarischen Werk zu Erinnerung und Shoah und ihrem neuesten, mit dem Premio Strega ausgezeichneten Roman über die Fotografin Gerda Taro, La ragazza con la Leica (2019); sowie der Philosoph Olivier Remaud (Paris) mit seiner aktuellen Publikation über das Neudenken von Mensch-Natur-Verhältnissen, Penser comme un iceberg (2020).

Format
Das Format der Sommerakademie sieht offene Diskussionen sowie die Arbeit in kleineren Lektüregruppen vor, die durch Vorträge der eingeladenen Gäste eingeleitet werden. An einem der Konferenztage wird ein Festakt zur Eröffnung der Kooperation zwischen der Villa Vigoni und der Universität des Saarlandes stattfinden, für die die Sommerakademie die Auftaktveranstaltung bildet.

Bewerbung
Die Sommerakademie richtet sich an Doktorand:innen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften und Masterabsolvent:innen kurz vor der Promotion, deren Forschung thematisch anschlussfähig ist. Interessierte Bewerber:innen schicken ein Motivationsschreiben (Forschungsinteressen und deren Bezug zum Thema der Sommerakademie, ca. 1 Seite) sowie einen akademischen Lebenslauf bis zum 1. Juli 2021 an summerschool-reparation@uni-saarland.de. Im Anschluss an die Sommerakademie ist eine Publikation geplant, in der einige der Teilnehmer:innen die Möglichkeit haben, einen Beitrag zu publizieren.
Die Konferenzsprachen sind Französisch und Englisch, ein gutes Verständnis beider Sprachen wird vorausgesetzt.

Kosten
Für die Teilnehmer:innen werden die Kosten für Verpflegung und Unterbringung übernommen. Reisekosten (Bahnfahrten 2. Klasse/Economy Class) werden bis zu insgesamt maximal 300 Euro erstattet.

Corona-Sicherheitskonzept
Momentan gehen wir davon aus, dass die Sommerakademie im Rahmen des erprobten Hygienekonzeptes der Villa Vigoni vor Ort stattfinden kann. Sollte der Verlauf der Pandemie dies doch unmöglich machen, werden wir Sie rechtzeitig über alternative Möglichkeiten informieren (hybrides Format, Verschieben der Konferenz, oder das Beschränken auf den Tagungsband).

Konzept und Organisation Mario Laarmann│Carla Seemann│Laura Vordermayer

Beitrag von: Carla Seemann

Redaktion: Redaktion romanistik.de