Stadt: Düsseldorf

Frist: 2021-07-31

Beginn: 2022-05-11

Ende: 2022-05-13

CfP – „Fließende Räume“. Der Fluss als Generator räumlicher Dynamiken

Tagung im Haus der Universität Düsseldorf
Düsseldorf, 11.-13. Mai 2022

Flüsse sind (genauso wie Meere oder Gebirge) seit jeher ein prägender Bestandteil von Räumen. Sie dienen als natürliche Grenzen, formen den Charakter einer Landschaft und prägen das Bild ganzer Regionen. Für die Wahrnehmung eines geografischen Raumes spielen Flüsse daher eine ganz wesentliche Rolle. Entsprechend werden ihre Lage und ihr Verlauf aufs Genaueste beschrieben, vermessen und kartografiert. Als natürliche Gebilde konfrontieren sie den Menschen mit Gefahren (Hochwasser, Dammbrüche, usw.), deren Risiken durch Eingriffe in die Natur (z.B. Staudämme, Kanäle, Begradigungen) minimiert werden. Umgekehrt macht sich der Mensch das natürliche Potenzial von Flussräumen auch zu Nutze (z.B. Wasserkraft, Landwirtschaft). Flüsse sind jedoch nicht nur das passive Objekt wissenschaftlich-technischer Naturbeherrschung, sondern sie sind selbst aktiv an der Konstitution von Räumen beteiligt. Begreift man Flüsse als eigenständige Akteure im Rahmen einer Netzwerk-Theorie, so stellt sich die Frage, welche Dynamiken durch sie in Gang gesetzt werden. In ökonomischer Hinsicht dienen Flüsse als wichtige Transport- und Verkehrswege. Sie sind Lebensadern der Wirtschaft, die zur Verflechtung von Wirtschaftsräumen beitragen. Ihre verkehrstechnische Nutzung zieht eine Vielzahl von juristischen Diskursen nach sich, die ihrerseits wieder neue Dynamiken erzeugen, indem sie (supra-)staatliche Gesetzgebungen anregen, aus denen neue Institutionen hervorgehen. In politischer Hinsicht sind Flüsse oftmals umkämpfte Grenzen oder Orte kriegerischer Auseinandersetzungen. Mitunter werden sie zur Projektionsfläche für nationale Diskurse, an denen sich langlebige Feindschaften ausbilden (z.B. Rhein, Oder-Neiße). Gleichzeitig bilden sie aber auch Räume des Kontakts, in denen kulturelle Transfer- und Austauschprozesse stattfinden. Flussräume sind somit exemplarische Räume der Abgrenzung und der Verflechtung. Als solche tragen sie entscheidend zur Herausbildung von Raumkulturen bzw. zur Entstehung von Kulturräumen bei (z.B. Donau, Rhein, Oder, Rhône, Tiber, Ebro). Nicht zufällig gilt der Fluss seit der Antike (Heraklit) als Sinnbild für Identitätsproblematiken schlechthin. Denn Flüsse konstituieren Räume mit erheblicher Beharrungskraft, die gerade deswegen konstant bleiben, weil sie immer in Bewegung sind. Das paradoxe Verhältnis von Konstanz und Veränderung eignet sich auch für ästhetische Diskurse. Bereits im Mythos wird der Fluss als metaphorische Schwelle bzw. Ort des Übergangs markiert (z.B. Lethe, Rubikon). In der Bibel ist er ein Symbol für Reinigung und Heilung (z.B. Jordan). Fluss-Symboliken begegnet man sehr häufig auch in Sagen, Märchen und Legenden (z.B. Loreley). Überhaupt scheinen Flussräume in besondere Weise anschlussfähig für eine Imagologie des Wassers zu sein. Daneben spielt der Fluss aber auch eine Rolle bei der Entstehung von Kulturtechniken (z.B. Baden, Schwimmen, Waschen, Kuren) und künstlerisch-diskursiven Praktiken (z.B. Rhein-Romantik). Insbesondere künstlerische Praktiken verbinden sich auffällig häufig mit Flussabschnitten, die als Knotenpunkte für Transferprozesse zwischen einzelnen Regionen dienen (z.B. Furten, Zusammenflüsse). Oftmals bilden diese Räume schon nach kurzer Zeit eigene „Kulturlandschaften“, d.h. räumliche Einheiten, die über bestimmte Merkmale verfügen und an denen sich ein einheitlicher „Stil“ (im Unterschied zu kurzfristigen Moden) entwickelt. Bezeichnenderweise haben sich Orte des Wissens (z.B. Bibliotheken, Klöster, Stifte) im Mittelalter bevorzugt an solchen Flussabschnitten angesiedelt, deren begünstigende Faktoren auch dazu beigetragen haben, künstlerische Praktiken zu verbreiten.

Im Rahmen der Tagung sollen sowohl konkrete Flussräume als auch einzelne der hier vorgestellten Flussdynamiken aus einer geistes- und kulturwissenschaftlichen Perspektive beleuchtet werden. Das Verhältnis von Flussdynamiken und Raumkulturen soll dabei aus einer längeren historischen Perspektive untersucht werden, die den Zeitraum vom Mittelalter bis zum 19. und 20. Jahrhundert abdeckt. Neben thematisch-inhaltlichen Aspekten sind insbesondere auch Beiträge erwünscht, die sich mit methodischen Fragen auseinandersetzen.

Mögliche Themen oder Fragestellungen der Beiträge könnten u.a. sein:

  • Wie lassen sich Flussräume mit ihren spezifischen Eigenheiten und Verflechtungen über (nationale) Grenzen hinweg beschreiben?
  • Wie lassen sich der Fluss und seine dazugehörigen Elemente (Strom, Quelle, Mündung Fließen, usw.) für eine Analyse von Raumkulturen / Kulturräumen operationalisieren?
  • Welche Rolle spielen Flüsse für die Konstitution von Räumen? Welcher kulturellen Anstrengungen bedarf es, um Flüsse als räumliche Einheiten zu konstituieren?
  • Inwiefern wird die Wahrnehmung von geografischen Räumen durch Flüsse gelenkt und welche Faktoren tragen dazu bei, dass sich die Raumwahrnehmung verändert?
  • Welche Art von wirtschaftlichen, politischen, ästhetischen und künstlerisch-diskursiven Dynamiken entstehen entlang von Flussläufen?

Die Tagung wird organisiert vom Forschungsverbund Fluide Räume der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Zu den beteiligten Fachdisziplinen gehören das Institut für Geschichte, germanistische Mediävistik, Romanistik und Kunstgeschichte.

Beiträge aus anderen als den genannten Disziplinen sind jedoch explizit erwünscht.

Die Tagung beginnt am Mittwoch, den 11. Mai 2022, und endet am Freitag, den 13. Mai 2022, jeweils gegen Abend. Veranstaltungsort ist das Haus der Universität Düsseldorf, Schadowplatz 14, 40212 Düsseldorf. Die Anwesenheit der Tagungsteilnehmer an allen drei Veranstaltungstagen ist erwünscht. Kosten für Unterkunft und Reise werden erstattet. Honorare können nicht gezahlt werden.

Wir erbitten die Einsendung von Abstracts (max. 2500 Zeichen) bis zum 31.07.2021 an Fluide.Raeume@hhu.de.

Veranstalter:

Prof. Dr. Ursula Hennigfeld
Institut für Romanistik
Heinrich-Heine-Universität
Universitätsstraße 1
Gebäude 24.51
40225 Düsseldorf

Prof. Dr. Achim Landwehr
Institut für Geschichte
Heinrich-Heine-Universität
Gebäude 23.32
Universitätsstraße 1
40225 Düsseldorf

Prof. Dr. Guido Thiemeyer
Institut für Geschichte
Heinrich-Heine-Universität
Universitätsstraße 1
Gebäude 23.31
40225 Düsseldorf

Prof. Dr. Ricarda Bauschke-Hartung
Institut für Germanistik
Heinrich-Heine-Universität
Universitätsstraße 1
Gebäude 24.54
40225 Düsseldorf

Prof. Dr. Andrea von Hülsen-Esch
Institut für Kunstgeschichte
Heinrich-Heine-Universität
Universitätsstraße 1
Gebäude 24.51
40225 Düsseldorf

Dr. Gero Faßbeck
Institut für Romanistik
Heinrich-Heine-Universität
Universitätsstraße 1
Gebäude 24.51
40225 Düsseldorf

Beitrag von: Gero Faßbeck

Redaktion: Christine Montmasson