Das Frankreichzentrum der Freien Universität veranstaltet gemeinsam mit dem Centre Marc eine Buchvorstellung mit Patrick Weil. Der Historiker und Rechtswissenschafler stellt sein kürzlich bei Grasset erschienenes Buch __Le président est-il devenu fou?_ vor: Darin wirft er, ausgehend von einem wiederentdeckten Manuskript, in dem Sigmund Freud und der amerikanische Diplomat William Bullitt ein eindrückliches Psychogramm des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson zeichnen, einen neuen Blick auf die Geschichte des Versailler Vertrags.

Abstract:
Die Psychologie Woodrow Wilsons spielt in zwei Schlüsselmomenten eine entscheidende Rolle für das Scheitern des Versailler Vertrags: Nämlich als Wilson die demokratischen Senatoren anweist, gegen die Ratifizierung des Versailler Vertrags zu stimmen, den er persönlich 1919 und vor Ort in Paris ausgehandelt hatte. Hinzu kommt, dass Wilson während der Verhandlungen der Forderung von General Jan Smuts, einem von ihm besonders geschätzten Mitglied der britischen Delegation, zustimmte, Deutschland außerordentlich hohe Reparationen aufzuerlegen. Eine Forderung, die John Keynes, der Smuts nahestand, den Lesern seines Buches Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages (The Economic Consequences of the Peace) absichtlich vorenthalten sollte. Amerika war das Herzstück des Versailler Vertrags und die spätere Verweigerung der USA, den Vertrag zu ratifizieren, stürzte Europa in jene Verwirrung und Unordnung, die zum Zweiten Weltkrieg führten. Frankreich hatte die militärische Garantie der USA – eine Art NATO-Äquivalent avant la lettre – verloren, sie war ursprünglich von Wilson in einem Sondervertrag mit England festgelegt worden. Die hohen Reparationsforderungen waren jedoch eigentlich nicht das Hauptinteresse des französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau: Ihm war die langfristige Garantieerklärung der USA im Fall einer deutschen Aggression wichtiger, die Frankreich letztlich wegen Wilson verlor.
Patrick Weil hat das Originalmanuskript des psychologischen Porträts von Präsident Wilson ausfindig gemacht, das Sigmund Freud zusammen mit dem amerikanischen Diplomaten William Bullitt verfasst hatte. Es wurde 1966 veröffentlicht, allerdings zuvor 300 Mal geändert bzw. zensiert. Das Original gibt Aufschluss darüber, aus welchen Gründen Freud Wilson als „Mann, der das Gegenteil von dem erreicht hatte, was er versprochen hatte" deutete, und warum Bullitt es 1966 vorzog, das Manuskript zu verstecken.

Organisatorisches:
Die Buchvorstellung wird von der Historikerin Prof. Dr. Jessica Gienow-Hecht (John-F.-Kennedy-Institut, FU Berlin) moderiert und findet in englischer Sprache statt. Die Kooperationsveranstaltung mit dem Centre Marc Bloch findet in Raum L116 (Seminarzentrum in der Silberlaube, Otto-von-Simson-Str. 26, 14195 Berlin) statt und kann über Webex mitverfolgt werden.

Bitte melden Sie sich vorab über folgende Emailadresse an: frankreichzentrum@fu-berlin.de

Beitrag von: Marie Jacquier

Redaktion: Robert Hesselbach