Nachruf auf Uwe Petersen (1941-2022)

Uwe Petersen gehörte zu jenen Romanisten klassischer Prägung, die ihren Weg über den Schwerpunkt Französisch hin zu anderen romanischen Sprachen (Italienisch und Spanisch) fanden. Nach einer Jugend in Brunsbüttelkoog am Nordseeausgang des Nord-Ostee-Kanals kam er Anfang der 1960-er Jahre zum Studium der romanischen (soweit das damals existierte) und der klassischen Philologie nach Tübingen, unterbrochen von einem Auslandsstudium in Lille (Frankreich). Besonders geprägt wurde er durch die Linguistik des gerade nach Tübingen berufenen Eugenio Coseriu, dessen grundlegende frühen Aufsätze er in Zusammenarbeit mit Hansbert Bertsch und Gisela Köhler 1970 und, in verbesserter zweiter Auflage 1971 in deutscher Übersetzung herausgegeben hat: Eugenio Coseriu, Sprache: Strukturen und Funktionen. XII Aufsätze, Tübingen: Narr. Weitere neun Aufsätze Coserius aus den siebziger und achtziger Jahren hat er 1987 ebenfalls in deutscher Übersetzung im gleichen Verlag herausgegeben: Eugenio Coseriu, Formen und Funktionen. Studien zur Grammatik.

Einen Namen gemacht hat er sich in der Romanistik durch die deutsche Ausgabe von Carlo Tagliavinis damaligem Standardwerk, De Origini delle lingue neolatine (quinta edizione Bologna 1969), die er 1973 zusammen mit Reinhard Meisterfeld bei C.H. Beck, München, unter dem Titel Einführung in die romanische Philologie herausgebracht hat. An der Übersetzung verschiedener anderer Werke hat er bis in die 1990-er Jahre mitgewirkt, und zwar auch über die Romanistik hinaus. Nachdem er Dänisch gelernt hatte, um Louis Hjelmslevs Prolegomena im dänischen Original (Omkring sprogteoriens grundlæggelse, 1943) lesen zu können, gab er 1992 Rasmus Rasks grundlegendes Werk zur Etymologie von 1818 in Auszügen in deutscher Übersetzung heraus: Von der Etymologie überhaupt. Eine Einleitung in die Sprachvergleichung, Tübingen: Narr. Durch alle diese Arbeiten hat er sich bis zum Schluss ein feines Gespür für die Sprachkritik im Deutschen bewahrt.
Nun ist Uwe Petersen überraschend verstorben. Mit ihm verliert die deutsche Romanistik einen stillen Arbeiter, der nie ein Amt bekleidet, in großer Freiheit, aber auch in materieller Unsicherheit gelebt hat. Alle Arbeiten hat er aus tiefem eigenem Interesse, ohne nachhaltige Anerkennung, nur im Dienst an der Wissenschaft geleistet.

Wolf Dietrich, Münster