Das weitreichende Interesse, das Pasolini hundert Jahre nach seinem Tod zu Teil wird, gründet nicht selten auf den kulturkritischen Positionen, die er in den 70ern in seinen – strukturell komplementären – Streitschriften, Dichtungen und Fiktionen vermittelte. Dabei scheinen die von Pasolini selbst unablässig verkündeten Begriffe zivilisatorischen Unheils – “anthropologische Mutation”, “Konsumfaschismus”, “kultureller Genozid” – entsprechend ideologische Lesarten quasi zirkulär zu bedingen: Sein Werk wäre damit kaum als mehr als Dekoration antikapitalistischer Praxis. Steht außer Frage, dass eine ideologisch-politische Lesart bei Pasolini konkrete Relevanz besitzt, so widersprechen seine sprachlich-künstlerischen Verfahren dem Postulat jener Eindeutigkeit, die allein der Vermittlung ideologischer Positionen dienlich sind. Tatsächlich intensiviert Pasolini in den letzten Jahren zusehends seine künstlerische Auseinandersetzung mit nicht-realistischen, nicht-analytischen Formen des Ausdrucks – Metapher (Porcile), Vision (Petrolio), Mysterienspiel (Salò). Sie leisten nicht einfach der Veranschaulichung seiner Kulturkritik Vorschub, sondern dienen umgekehrt vielmehr der poietischen Ergründung ihres Gegenstandes: Es ist das Licht der Allegorie, in dem sich Pasolini an den lebendigen Kern der neokapitalistischen Lebensverhältnisse heranzutasten versucht; es ist diese eigentümliche, uneindeutige “Lichtkraft”, die es im Rahmen der Tagung an der LMU München neu und auch in Bezug auf die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse, zu befragen und diskutieren gilt.

Donnerstag 20.10 (LMU, Philologicum/ Istituto Italiano di Cultura)

14.30 Angela Oster (München), Florian Mehltretter (München), Giulia Sagliardi (Istituto Italiano di Cultura, München): Begrüßung/ saluti istituzionali
15.00 Fabien Vitali (München): „Pasolini fu una luce” – Un’introduzione

15.45 Maria Moog-Grünewald (Tübingen): Politik und Poesie – Pier Paolo Pasolini
16.30 Stefano Brugnolo (Pisa): Pasolini e il ’68 – Una lettura di „Il PCI ai giovani”
17.30 Marco Antonio Bazzocchi (Bologna): Pasolini, un pensiero a forma di rosa

19.30 Istituto Italiano di Cultura: Theresia Prammer/Fabien Vitali: „Wilde Heuristik“ – Zu Pasolinis Dichtung und ihrer Übersetzung ins
Deutsche

Freitag 21.10 (LMU, Philologicum)

10.00 Chiara Caradonna (Jerusalem): Pasolini, D’Arrigo e le lingue dei margini
10.45 Cornelia Wild (Siegen): „La gente risponde”. Plurale Rede in Pasolinis Comizi d’Amore
11.45 Cora Rok (Heidelberg): Pasolini und der Existenzialismus

14.30 Jörg Schwarz (Innsbruck): Die bestürzende Fülle der Welt. Pier Paolo Pasolini und das Mittelalter
15.15 Marijana Erstić (Lijubliana): Todesbekämpfung als Legitimation und Strategie – Pasolinis Decameron

16.30 Roberto Chiesi (Bologna): Corpo sacro, corpo vile – La corporalità ‘politica’ nell’ultimo cinema di Pasolini (1970-1975)
17.15 Bernhard Groß (Jena): Geschichte beleuchten. ‘Völkermord‘ und Holocaust bei Pasolini

18.15 Lorenzo Gasparini (München)/ Eleonora Verardi (Roma): Pasolini a casa mia – Sabaudia 50 anni dopo la „mutazione antropologica”. Elegia in
forma di corto.

19.30 Gabriella Angheleddu/ Karl-Heinz Dellwo/ Fabien Vitali: Allegorien der Macht ¬– Szenische Reflexion zu Salò o le 120 giornate di Sodom (mit
Olivia Purka/ Max Kurth).
Im Anschluss: Gespräch mit Roberto Chiesi

Samstag 22.10 (LMU, Philologicum)

10 Benjamin Fellmann (Hamburg): Pasolini in der internationalen Gegenwartskunst: Künstlerische Poetiken des Politischen
10.45 Sara Codutti (Roma): Di poesia carne e luce – Fabio Mauri e Pier Paolo Pasolini

12.00 „Nun esiste la fine. Aspettamo. Qualcosa succederà“– Abschlussdiskussion/ conclusione

Beitrag von: Fabien Vitali

Redaktion: Robert Hesselbach