Stadt: Leipzig

Frist: 2022-12-31

Beginn: 2023-09-24

Ende: 2023-09-27

URL: https://www.deutscher-romanistenverband.de/der-drv/mitteilungshefte-des-drv/

Das Zusammenspiel physischer Präsenz und digitaler Virtualität
im Unterricht romanischer Sprachen

Corinna Koch & Svenja Haberland (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)

Institutioneller Fremdsprachenunterricht ist, seinem Kontext entsprechend, in gewisser Hinsicht immer konstruiert und damit künstlich, da explizites Fremdsprachen_lernen_ im Gegensatz zu lebensweltlichem Sprach_erwerb_ stets auf Vorstellungskraft und ein ‚So-tun-als-ob‘ in einer gesteuerten Lernumgebung angewiesen ist (vgl. z. B. Guadatiello 2007, 38-40; Schätz 2017, 40-41). Dies hat den Vorteil, dass im Klassenzimmer ein geschütztes vorbereitendes zielsprachliches Probehandeln erfolgen kann (vgl. z. B. Reinfried 2017, 74). Gleichzeitig lässt jedoch das Ziel der Ausbildung einer interkulturellen Handlungsfähigkeit (vgl. z. B. Ministerium 2019, 8) nach einer möglichst frühen Verknüpfung mit authentischen Sprachverwendungssituationen in Kontakt mit der außerschulischen Welt streben.
Um Lernenden auch im Klassenraum, einem wichtigen Teil ihrer Lebenswelt, Kommunikationsanlässe anzubieten, die diese als „lebensecht“ (Bach/Timm 2009, 13) akzeptieren und erleben können, stehen vielfältige Methoden zur Auswahl. Dazu zählt beispielsweise die simulation globale, bei der im Idealfall aus einer übernommenen Rolle heraus realitätsnahe, bedeutungsvolle Interaktion mit Mitlernenden und ggf. der Lehrkraft stattfindet (vgl. z. B. Maak 2011 sowie das Themenheft von Der Fremdsprachliche Unterricht „Lebenswelten erproben: Simulationen“ 147/2017). Wenn die Gegebenheiten es zulassen, werden darüber hinaus, (zumindest punktuell) Präsenzkontakte hergestellt, bei denen die unterrichtlich aufgebauten und erprobten Kompetenzen Anwendung finden können, z. B. in Austauschprojekten (vgl. z. B. von Rosen 2019), Drittortbegegnungen (vgl. z. B. Bargy/Hofmann 2019) oder auch durch das Einladen externer Gäste in die Schule (vgl. z. B. Hueber 2020).
Zudem kann der Einsatz digitaler Medien ‚Begegnungen‘ ermöglichen. So eröffnen den Lernenden z. B. eTandemprojekte (vgl. z. B. Renner et al. 2016; Renner 2021) die Gelegenheit, in regelmäßigen Abständen sowie ortsunabhängig mit Lernenden aus anderen (zielsprachlichen) Ländern zu kommunizieren und zu kooperieren (z. B. über eTwinning (https://www.etwinning.net/), kofinanziert von Erasmus+). Im Kontext von interkulturellen Projekten können – ggf. einen in Präsenz erfolgten Kontakt ergänzend – überdies unter Anwendung von Blogs, Etherpads oder Austauschforen gemeinsame Lernprodukte (z. B. Schrifttexte, Videos, Sprache-Bild-Kombinationen oder Wikis, ggf. gesammelt in einem ePortfolio) erarbeitet und auf Wunsch veröffentlicht werden, was durch die gesteigerte Sichtbarkeit und Authentizität zu einer höheren Motivation, Sorgsamkeit und Verbindlichkeit beim Handeln in der Zielsprache führen kann (vgl. Abendroth-Timmer/Gerlach 2021, 162). Auch relevante zielkulturelle Lernorte können durch den Einsatz von z. B. Escape Rooms oder Kartendiensten (z. B. Google Streetview; vgl. z. B. Husemann 2010; Kraus 2012) in den Klassenraum gebracht werden, sodass Sprache praxisnah angewendet und im virtuellen Raum erprobt werden kann.
In einem zeitgemäßen Fremdsprachenunterricht braucht es sicherlich beides: physische Präsenz und digitale Virtualität – auch in Vorbereitung auf (spätere) gesellschaftliche Interaktionen, die im 21. Jahrhundert sowohl in face-to-face- als auch in digitaler Kommunikation bestehen. Das systematische Herausarbeiten der konkreten Besonderheiten, Potenziale und Grenzen von Szenarien in der einen oder anderen Form (oder auch Mischformen) aus fremdsprachendidaktischer Hinsicht steht jedoch noch aus und soll in dieser Sektion adressiert werden. Es stellen sich u. a. folgende Fragen:

  • Wie viel Leiblichkeit (vgl. z. B. Schwertfeger 2001; Abendroth-Timmer/Gerlach 2021, 22-27) braucht der Fremdsprachenunterricht zur Erreichung welcher Lernziele? Was kann besonders gut oder sogar ausschließlich in direkter Präsenz-Interaktion erfolgen, nicht beispielsweise in synchronen Videokonferenzen oder asynchronen digitalen Formaten wie Foren oder Etherpads? Wie müssen Szenarien in physischen Settings gestaltet sein, um möglichst authentisch und ganzheitlich wirksam zu sein? Mit wem sollte dabei warum interagiert werden? Welche Relevanz haben in diesem Kontext z. B. theaterpraktische Methoden (vgl. z. B. Hallet/Surkamp 2015) sowie Haptik und Kinästhetik (vgl. z. B. Kröger 2010)?
  • Welche primären Lernorte (d. h. solche, die über ein explizites didaktisches Konzept verfügen, wie Museen oder Kulturinstitute) und welche sekundären Lernorte (d. h. solche, für die erst ein didaktisches Konzept geschaffen werden muss, wie Innenstädte oder – als Hochform – Orte in Zielländern) können den Fremdsprachenunterricht durch eine Öffnung nach außen und körperliches Vor-Ort-Sein und Erleben bei der Erreichung der angestrebten Lernziele bereichern (vgl. z. B. Legutke 2015, 131)? Wie kann dabei eine Verbindung, z. B. durch Smartphone-Rallyes, mit virtuellen Räumen geschaffen werden (vgl. z. B. Koch/Adammek 2018)?
  • Inwiefern können im Kontext des Fremdsprachenunterrichts virtuelle Kontakte (innerhalb der Klassengemeinschaft oder mit externen Personen) physische Interaktion sinnvoll und zielgerichtet ergänzen? Wie sollten virtuelle Räume gestaltet sein und wie unterscheidet sich das fremdsprachliche Lernen in ebendiesen vom Lernen vor Ort? In welcher Form und welchem Ausmaß sollte eine Kommunikation der Lernenden außerhalb eines didaktischen Settings (angeleitete Kommunikation mit anderen Lernenden, wie es in unterrichtseingebundenen digitalen Austauschformaten der Fall ist) angestrebt werden, z. B. durch die Teilnahme an authentischen Diskursen im Internet durch Kommentare unter Videos oder Posts (vgl. z. B. Ollivier 2010; Sundqvist/Sylvén 2016; Caws et al. 2021)? Welche Rolle kann virtuelle Realität im Sinne von Gamification (vgl. z. B. Kapp 2012; Pohl 2020), z. B. Escape Rooms (vgl. z. B. Cruz 2019), spielen, bei der nicht mit Menschen, sondern Programmen interagiert wird? Wie könnten die virtuellen Führungen durch Museen, z. B. Museo del Prado (https://www.museodelprado.es/visitas-virtuales) oder Musée du Louvre (https://www.louvre.fr/visites-en-ligne) zielführend in den Fremdsprachenunterricht eingebunden werden?

Wir freuen uns auf Abstracts unter Angabe des Titels sowie von Namen und Kontaktdaten des/der Vortragenden bis zum 31. Dezember 2022: Corinna.Koch@wwu.de und Svenja.Haberland@wwu.de. Ihr Abstract sollte maximal 4.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen und bibliographische Angaben) umfassen. Vortragssprachen sind alle romanischen Sprachen und das Deutsche.

Bibliographie
Abendroth-Timmer, Dagmar/Gerlach, David (2021): Handlungsorientierung im Fremdsprachenunterricht. Eine Einführung. Berlin: Metzler.
Bach, Gerhard/Timm, Johannes-Peter (2009): „Handlungsorientierung als Ziel und Methode“, in: dies. (Hrsg.): Englischunterricht: Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. Tübingen/Basel: A. Francke, S. 1-22.
Bargy, Elodie/Hofmann, Dirk (2019): „‚Au-delà des urnes, rien de nouveau‘? – Erkundung alternativer Formen politischer Partizipation als Projekt einer deutsch-französischen Drittortbegegnung“, in: französisch heute 50.3, S. 18-23.
Caws, Catherine/Hamel, Marie-Josée/Jeanneau, Catherine/Ollivier, Christian (2021): Formation en langues et littératie numérique en contextes ouverts – Une approche socio-interactionnelle. Editions des archives contemporaines. https://doi.org/10.17184/eac.9782813003911 (Zugriff: 28.04.2022).
Cruz, Mário (2019): „Escaping from the traditional classroom: the ‚Escape Room Methodology‘ in the foreign languages classroom“, in: Babylonia 3, S. 26-29.
Guadatiello, Angela (2007): „Erwerben oder erlernen Kinder nichtdeutscher Erstsprache das Deutsche? Der Versuch, eine Kontroverse zu überwinden“, in: Jampert, Karin/Best, Petra/Guadatiello, Angela/Holler, Doris/Zehnbauer, Anne (Hrsg.): Schlüsselkompetenz Sprache. Sprachliche Bildung und Förderung im Kindergarten; Konzepte, Projekte und Maßnahmen. Weimar: Netz, S. 38-40.
Hallet, Wolfgang/Surkamp, Carola (Hrsg.) (2015): Dramendidaktik und Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht. Trier: WVT.
Hueber (2020): „Digitale Medien – authentisch kommunizieren“, in: Blog.Hueber DaF/DaZ unterrichten 23. April 2020. https://blog.hueber.de/digitale-medien-authentisch-kommunizieren/ (Zugriff: 28.04.2022).
Husemann, Veit R. J. (2010): „Mit Google Street View mitten in Frankreich – In einer virtuellen Stadtrallye Wegbeschreibungen üben“, in: Der Fremdsprachliche Unterricht Französisch 106, S. 12-17.
Koch, Corinna/Adammek, Christine (2020): „Wie französisch ist … meine Heimatstadt? – Eine Stadtrallye per Smartphone-App konzipieren und durchführen“, in: Jungwirth, Martin/Harsch, Nina/Korflür, Yvonne/Stein, Martin (Hrsg.): Forschen.Lernen.Lehren an öffentlichen Orten – The Wider View. Eine Tagung des Zentrums für Lehrerbildung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vom 16. bis 19.09.2019. Münster: WTM, S. 173-178.
Kraus, Alexander (2012): „Vive Paris ! – Mit Google Street View kontrastreiche Eindrücke der Stadt gewinnen“, in: Der Fremdsprachliche Unterricht Französisch 115, S. 24-28.
Kröger, Felicitas (2010): „Haptisch-kinästhetische Adressierung im Frühen Fremdsprachenunterricht“, in: Arnold, Karl-Heinz/Hauenschild, Katrin/Schmidt, Britta/Ziegenmeyer, Birgit (Hrsg.): Zwischen Fachdidaktik und Stufendidaktik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 133-136.
Legutke, Michael K. (2015): „Vernetzte Lernorte“, in: Burwitz-Melzer, Eva/Königs, Frank G./Riemer, Claudia (Hrsg.): Lernen an allen Orten? Die Rolle der Lernorte beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen. Arbeitspapiere der 35. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr, S. 127-135.
Maak, Diana (2011): „»Geschützt im Mantel eines Anderen« – Die »globale Simulation« als Methode im DaF-Unterricht“, in: Info DaF 5, S. 551-565.
Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2019): Kernlehrplan für die Sekundarstufe I Gymnasium. Französisch_. https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/lehrplan/ 202/g9_f_klp_%203410_2019_0623.pdf (Zugriff: 28.04.2022).
Kapp, Karl (2012): The Gamification of Learning and Instruction: Game-Based Methods and Strategies for Training and Education. San Francisco: John Wiley & Son.
Ollivier, Christian (2010): „Écriture collaborative en ligne : Une approche interactionnelle de la production écrite pour des apprenants acteurs sociaux et motivés“, in: Revue Française de Linguistique Appliquée 15,2, S. 121-137. https://www.cairn.info/revue-francaise-de-linguistique-appliquee-2010-2-page-121.htm (Zugriff: 28.04.2022).
Pohl, Manuela (2020): „The game’s afoot!“, in: Riemer, Nathanael/Sebastian Möring (Hrsg.): Videospiele als didaktische Herausforderung. Potsdam: Universitätsverlag Potsdam, S. 104-133.
Reinfried, Marcus (2017): „Didaktisch-methodische Prinzipien heute“, in: Nieweler, Andreas (Hrsg.): Fachdidaktik Französisch: Das Handbuch für Theorie und Praxis. Stuttgart: Ernst Klett Sprachen, S. 74-84.
Renner, Julia (2021): „Das Potenzial von Online-Sprachentandems für das Fremdsprachenlernen bei AnfängerInnen einer Zielsprache“, in: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 26,1, S. 311-338.
Renner, Julia/Fink, Ilona Elisabeth/Volgger, Marie-Luise (Hrsg.) (2016): E-Tandems im schulischen Fremdsprachenunterricht. Wien: Löcker.
Schätz, Raphaela (2017): Deutsch als Zweitsprache fördern. Studie zur mündlichen Erzählfähigkeit von Grundschulkindern. Wiesbaden: Springer.
Schwerdtfeger, Inge C. (2001): „Ganzheitliches Lernen und Leiblichkeit im Fremdsprachenunterricht – zwei Seiten einer Medaille?“, in: DaF 28,5, S. 431-442.
Sundqvist, Pia/Sylvén, Liss K. (2016): Extramural English in teaching and learning: From theory and research to practice. London: Palgrave Macmillan.
von Rosen, Julia (2019): „Wie Literatur lebendig werden kann. Ein deutsch-französisches Austauschprojekt“, in: französisch heute 50.3, S. 24-29.

Beitrag von: Corinna Koch

Redaktion: Robert Hesselbach