Stadt: Bonn

Beginn: 2024-04-08

Ende: 2024-07-08

Spanien ist, so die These von Sergio del Molino in seinem Essay La España vacía. Viaje por un país que nunca fue (2016), seit jeher eine Kultur der Städte gewesen, sowohl auf der iberischen Halbinsel als auch in der Neuen Welt. Das Land jenseits der Städte ist somit das kulturwissenschaftlich gedachte leere Andere der Kultur. In der Tat ist das ländliche Spanien schon seit dem Mittelalter Imaginationsfläche und Fluchtort, wenn es nach dem Topos des antiken beatus ille als Ziel der Stadtflucht zivilisationsmüder Städter verklärt wurde. In der Literatur wiederum boten die Gattungen der Bukolik und Idylle den entsprechenden Rahmen, um dieser alabanza de aldea Raum zu geben.

Im spätkapitalistischen und durch ökonomische und politische Krisen gebeutelten 21. Jahrhundert jedoch ist diese Idealisierung scheinbar einer dysphorischen literarischen und cineastischen Darstellung des ländlichen, ‚leeren‘ Spanien gewichen. Dort werden die fatalen Folgen von Globalisierung, Entvölkerung und Wirtschaftskrise besonders sichtbar. Dies spiegeln auch die Werke jener jungen Generation von Schriftsteller:innen und Filmemacher:innen, die der Generación Cero zugerechnet werden können und teils mit den Indignados auf die Straße gingen, weil sie sich durch eine zusehende Prekarisierung bedroht sahen.

Wir wollen uns in dieser Vortragsreihe, die im Rahmen des binationalen Studiengangs “Spanische Kultur und europäische Identität” von Lehrenden der Bonner Romanistik gemeinsam mit Gästen von der Partneruniversität León und weiteren deutschen und internationalen Universitäten angeboten wird, der Kontinuität topographischer Imaginationen des leeren oder vielmehr entleerten Spaniens aus unterschiedlichen Perspektiven widmen: kulturanthropologischen, historischen, kulturvergleichenden, literatur- und filmwissenschaftlichen, linguistischen und kulturgeographischen. Mit Blick auf die Vorgeschichte des heutigen Topos werden Vorträge gehalten zum Don Quijote, dem spanischen Realisten Galdós und zu Julio Llamazares, ergänzt durch intensives Close Reading ausgewählter Gegenwartsromane, welche versuchen, die ‚Leere‘ des ländlichen Spanien als mehr (oder minder) tragische Konstante eines in sich gespaltenen Spanien poetisch zu fassen – und der Leere so auch immer eine Fülle der Bilder und Worte entgegenzustellen.

Ort: Hauptgebäude der Universität Bonn (Schloss), Hörsaal IV
Zeit: montags 18-20 Uhr (c.t.)

Es handelt sich um eine hybride Veranstaltung. Bei Interesse an einer digitalen Teilnehmen wenden Sie sich bitte an die Organisatorin: petersk@uni-bonn.de

Programm:

08. April 2024: Karin Peters (Bonn): Introducción

15. April 2024: Karin Peters (Bonn): Irene Solà: Canto yo y la montaña baila (2019) y Ana Iris Simón: Feria (2020) – Close Reading

22. April 2024: Claudia Gatzemeier (Leipzig): ¿España vacía o España vaciada? Contextos – mitos – debates

29. April 2024: Paz Benito del Pozo (León): La importancia del patrimonio industrial en las zonas rurales desfavorecidas (en línea)

06. Mai 2024: Jeremy MacClancy (Oxford Brookes University): Empty Spain: more plural than singular

13. Mai 2024: Hanna Nohe (Bonn): Huellas narrativas del éxodo rural en La lluvia amarilla (1988) de Julio Llamazares

27. Mai 2024: Elena Deanda Camacho (Washington College): España en México: ires y venires del siglo XX

03./10. Juni 2024: Stefan Butzmühlen, Cristina Diz: Caballeros insomnes (2013) – Presentación & Discusión

17. Juni 2024: Jörg Dünne (Berlin): La ruta del Quijote y la España vacía

24. Juni 2024: Timo Kehren (Mainz): De las montañas de Asturias a Madrid: el cronotopo del progreso en Marianela (1878) y El doctor Centeno (1883), de Benito Pérez Galdós

01. Juli 2024: Edera de Ángelis (León): La cuentística oral contamporánea (en línea)

08. Juli 2024: Karin Peters / Anke Grutschus (Bonn): Santiago Lorenzo: Los asquerosos (2018) – Close Reading

Beitrag von: Karin Peters

Redaktion: Robert Hesselbach