Das Ende der Konfessionalisierung? Zur Rezeption und Aktualität eines strukturgeschichtlichen Konzepts in den historischen Geisteswissenschaften
Stadt: Berlin
Beginn: 2024-08-29
Ende: 2024-08-30
Interdisziplinärer Workshop an der Freien Universität Berlin, 29.-30. August 2024
Veranstaltet von Kai Bremer, Matthias Pohlig, Stefan Schrader und Günther Wassilowsky
Nachdem Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling das Konzept der Konfessionalisierung in den 1980er Jahren vorgelegt hatten, wurde es in den beiden folgenden Jahrzehnten in der Geschichtswissenschaft wesentlich ausdifferenziert und weiterentwickelt, wobei es stets wesentliche Bezugsgröße blieb – selbst wenn zum Teil deutliche Kritik etwa an dessen etatistischer Ausrichtung und seinem Normierungsdenken formuliert wurde.
Inzwischen – so scheint es – ist es um die Konfessionalisierung aber insgesamt deutlich stiller geworden. Zwar bleibt sie in Lehrbüchern präsent, aber die Aufmerksamkeit, die ihr von den 1990er Jahren bis in die Mitte des letzten Jahrzehnts zuteilwurde, genießt sie aktuell nach Wahrnehmung der Veranstalter jedoch nicht mehr. Stattdessen rücken andere Schwer-punkte in den Fokus (globalhistorische Perspektiven, Ausweitung des Reformationsbegriffs). Ähnliches scheint für die evangelische wie katholische Kirchengeschichte zu gelten. Ist die Konfessionalisierung – derart betrachtet und zugleich an Ute Lotz-Heumann (2016) anschließend – am Ende?
Im Rahmen des Workshops soll aus interdisziplinärer Perspektive Bilanz gezogen und diskutiert werden, wie die Auseinandersetzung mit dem Konfessionalisierungskonzept innerhalb der jeweiligen Fächer erfolgt ist. Gemeinsam soll erörtert werden, auf welches religionsgeschichtliche Vokabular für die Frühe Neuzeit, welche Konzepte der Konfessionalisierungs-forschung und welche Methoden in den unterschiedlichen geisteswissenschaftlichen Fächern zurückgegriffen wurde und wird, um je vor dem Hintergrund der eigenen disziplinären Kultur das zu entwickeln, was vielleicht vorläufig als konfessionelle Matrix bezeichnet werden kann: Welche Begriffe, Ideen und Konzepte wurden und werden aus welchen Gründen in den unterschiedlichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen genutzt, a. um die eigenen Quellen, Texte und Artefakte zu erforschen und um b. ggfs. ältere religionshistorisch orien-tierte Forschungen zu kritisieren oder weiterzuentwickeln?
Mittels dieser Fragen soll zum einen bilanziert werden, wie das Konfessionalisierungskonzept und seine Erweiterungen und Variationen in den verschiedenen historischen Geisteswissenschaften rezipiert wurde und ob es gar als etabliert gelten kann. Zum anderen soll erörtert werden, welche Perspektiven sich aus diesen Rezeptionen wiederum für die Geschichts- und Kirchengeschichtsschreibung ergeben.
Programm
Donnerstag, 29. August 2024
ab 10:30 Get Together
11:00-11:30 Kai Bremer (Berlin): Begrüßung und Einführung
Moderation: Anne Eusterschulte (Berlin)
11:30-11:45 Matthias Pohlig (Berlin): Religionsvokabular: Forschungsgeschichtliche Beobachtungen zu Konfession, Konfessionalisierung, Konfessionskultur
11:45-12:00 Günther Wassilowsky (Berlin): doing confession – Fragen einer kulturwissenschaftlichen Konfessionalisierungsforschung
12:00-12:30 Diskussion der beiden Statements
12:30-14:15 Mittagspause
Moderation: Stefan Schrader (Berlin)
14:15-15:15 Jutta Eming (Berlin): (Über)Konfessionelle Kontinuität im protestantischen Märtyrerdrama (Balthasar Thamm: Dorothea)
15:15-15:30 Bernd Roling (Berlin): Im Räderwerk der Liebe. Malebranche zwischen den Konfessionen
15:30-15:45 Birgit Ulrike Münch (Bonn): Kann Kunst Konfessionalisierung? Ein Kurzstatement aus der Kunstgeschichte
15:45-16:15 Diskussion der beiden Statements
16:15-16:45 Kaffeepause
16:45-17:45 Christine Ott (Frankfurt/M.): Schwere Seelen. Gewicht und Gnade vor dem Hintergrund der französischen Religionskriege
17:45-18:15 Marc Föcking (Hamburg): Konfession und/als Häresie in der italienischen Literatur- und Geschichtswissenschaft
ab 18:30 Stehempfang mit Buffet
Freitag, 30. August 2024
Moderation: Christoph Jakubowsky (Berlin)
09:00-10:00 Volkhard Wels (Berlin): Konfessionelle Verse. Zur Rezeption der Versreform des Martin Opitz im katholischen Bereich
10:00-11:00 Stefan Schrader (Berlin): Konfessionelle Codierungen. Buße in katholischer und lutherischer Lyrik des 17. Jahrhunderts
11:00-11:30 Kaffeepause
11:30-12:30 Julius Thelen (Göttingen): Diversität, Hybridität, Ambiguität. Kulturwissenschaftliche Begriffe und die Konfessionsforschung
12:30-13:00 Abschlussdiskussion, Verabschiedung
Gäste sind herzlich willkommen! Eine vorherige Anmeldung freut uns, ist aber nicht notwendig.
Tagungsort: Freie Universität Berlin, JK 31/102
Habelschwerdter Allee 45
14195 Berlin
Kontakt: Stefan Schrader
stefan.schrader@fu-berlin.de
Beitrag von: Stefan Schrader
Redaktion: Robert Hesselbach