21.10.2024_Gastvortrag von Prof. Dr. Henning Lobin (IDS Mannheim): „Die gegenwärtige Kontroverse um das gendergerechte Deutsch“ (Vortragsreihe des 'Germanopôle lorrain', Nancy)
Beginn: 2024-10-21
Liebe Kolleg*innen,
die vom Germanopôle lorrain (Maison des Sciences de l’Homme Lorraine) organisierte Vortragsreihe soll Forscher*innen und Expert*innen dazu anregen, über aktuelle Forschungsthemen und -fragestellungen im Bereich der Genderlinguistik aus einer kontrastiven, dreisprachigen Perspektive mit einem besonderen Fokus auf die Grenzländer Deutschland, Frankreich und Luxemburg zu diskutieren.
Dem Rahmenthema der Vortragsreihe liegt ein interdisziplinärer Ansatz zugrunde, der auf facettenreichen, einander ergänzenden Analyseebenen beruht: gesellschaftliche Herausforderungen und politische Debatten; Diskursanalyse; Didaktik; Lexikographie; Multimodalität; Orthographie.
Genauere Informationen finden sich auf der Webseite:
https://msh-lorraine.fr/2024/07/02/cycle-de-conferences-bimestriel-du-germanopole-lorrain-2024-2025/
Der erste Gastvortrag findet am 21. Oktober 2024, 16.30-18.00 statt:
„Die gegenwärtige Kontroverse um das gendergerechte Deutsch“
Prof. Dr. Henning Lobin (Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für deutsche Sprache, Mannheim)
Abstract:
Kaum ein anderes Thema hat seit dem 19. Jahrhundert die Diskussion um die deutsche Sprache so sehr angeheizt wie die sogenannte gendergerechte Sprache. Damit werden zugleich zwei verschiedene Zielsetzungen bezeichnet: die sprachliche Gleichstellung von Männern und Frauen einerseits, die Möglichkeit der expliziten Benennung von nicht-binären Personen in der deutschen Sprache andererseits. Für ersteres gibt es etablierte morphologische und lexikalische Möglichkeiten, die allerdings in ihrer Anwendung und ihrer linguistischen Deutung umstritten sind. Für letzteres weist das Deutsche keine etablierten Verfahren auf, weshalb Vorschläge für besondere Kennzeichnungen nicht-binärer Personenbezeichnungen gemacht worden sind und sich teilweise etabliert haben. Besonders umstritten ist dabei der „Genderstern“ (z.B. wie in „Schüler*innen“ anstatt „Schüler“ oder „Schülerinnen und Schüler“).
Problematisch ist diese Debatte aber deshalb geworden, weil sie als Symbol für identitätspolitische und identitäre Positionierungen in der politischen Auseinandersetzung herangezogen wird. Diese Kontroverse wird mittlerweile geradezu unerbittlich geführt und führt zu teilweise grotesken Forderungen, wie etwa der, bestimmte Sprachverwendungen gesetzlich zu verbieten (was einen Verstoß gegen verfassungsmäßige Grundrechte darstellen würde). Da es aber in Deutschland (und den anderen deutschsprachigen Ländern) außer für den Bereich der Orthografie keine staatlichen Normierungsinstanzen gibt, hat sich das öffentliche Interesse zunehmend auf den Rat für deutsche Rechtschreibung fokussiert.
Im Vortrag werden die linguistischen Grundlagen dieser Kontroverse erläutert, ihre Dynamik nachgezeichnet und ihr gegenwärtiger Stand erläutert, wobei insbesondere die jüngsten Beschlüsse des Rats für deutsche Rechtschreibung herangezogen werden.
Literatur: Henning Lobin: Sprachkampf. Wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert. Berlin: Duden, 2021.
Anmeldung zur digitalen Teilnahme unter:
https://enquetes.univ-lorraine.fr/index.php/958612?lang=fr
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen!
Beitrag von: Hélène Vinckel-Roisin
Redaktion: Robert Hesselbach