Wiederverwendung und Kreativität. Ästhetische Praktiken der Vormoderne. (Jahrestagung SFB 1391 Andere Ästhetik)
Wiederverwendung und Kreativität stehen im Zentrum aktueller gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, wenn z.B. über die Nutzung menschengemachter Bilder und Texte für das Training generativer KI oder über die Legitimität kultureller Aneignung diskutiert wird.
Die Spannung von Wiederverwendung und Kreativität wurzelt in der ästhetischen Produktion der Vormoderne, in der Praktiken der Wiederverwendung ubiquitär sind. Dabei hat sich die Forschung unter dem Eindruck autonomieästhetischer Wertungen und Kriterien starker Autorschaft (wie Neuheit vs. Tradition oder Genie vs. Imitation) lange schwer damit getan, sie angemessen zu deuten. Oft wurden (und werden) Wiederverwendungen als ‚bloße Nachahmungen‘ abqualifiziert.
Indes hat die archäologische, kunsthistorische, literatur- und musikwissenschaftliche Forschung zur vormodernen Ästhetik gezeigt, dass künstlerische Praktiken wie Adaptation, (Re-)Inventio, Kombinatorik, Re-Framing, Retextualisierung, Übersetzen oder Wiedererzählen von signifikanter Kreativität geprägt sein können.
Diesen entscheidenden Perspektivwechsel möchten wir mit der Tagung konzeptionell fundieren und zum Ausgangspunkt für eine interdisziplinäre Reflexion des kreativen Potentials von Wiederverwendung machen: Die ‚andere‘ Ästhetik der Vormoderne gewinnt ihre Kreativität nicht gegen, sondern aus der Wiederverwendung.
Ziel der Tagung ist es, die spannungsreiche Interdependenz von Wiederverwendung und Kreativität neu zu begründen sowie in ihrer kulturhistorischen Tragweite und Vielfältigkeit in Bezug auf räumliche und zeitliche Transfer- und Transformationsprozesse zu konturieren sowie zu systematisieren – und dies auch und gerade unter Einbezug von Perspektiven, die bis in die Gegenwart reichen.
Ort:
Alte Aula, Münzgasse 30, 72070 Tübingen
Eine Anmeldung zur Tagung ist nicht erforderlich. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Dr. Jan Stellmann (jan.stellmann@uni-tuebingen.de).
Beitrag von: Thalia Vollstedt
Redaktion: Robert Hesselbach