ComFor Jahrestagung 2026 "Figuren und Figurationen des Heroischen im Comic" (30.09.-02.10.2026, Gießen)
Stadt: Gießen
Frist: 2026-03-15
Beginn: 2026-09-30
Ende: 2026-10-02
ComFor Jahrestagung 2026
Ort: Justus-Liebig-Universität Gießen
Datum: 30.09.-02.10.2026
Organisation: Jörn Ahrens, Frank Thomas Brinkmann, Kirsten von Hagen
Figuren und Figurationen des Heroischen im Comic
Figuren des Heroischen sind im Comic der Gegenwart sehr präsent und persistent. In der Geschichte des Comic hingegen erscheinen sie erst deutlich später als gern angenommen: In der Frühphase des Mediums dominieren Klamauk, Groteske und Avantgarde sowie nicht zuletzt Alltagssujets. Eine Figur, die (wenngleich auch zunächst im weiteren Sinne) mit dem klassischen Konzept des Heldischen abgeglichen werden kann, wird erst in und nach den 1920er Jahren mit der breiten Etablierung realistisch gezeichneter Comics eingeführt (Terry and the Pirates, Tarzan, Prince Valiant, Dick Tracy, Superman). Bald aber decken sie sämtliche denkbaren Genres ab, erfinden gar mit dem Superhelden-Comic ein neues Genre, das lange Zeit nur dem Comic gehört. Von nun an produziert der Comic heroische Subjekte in Serie in allen Facetten – wobei die Popularität der Superhelden-Comics und ihrer heldischen Gestalten schon die Frage aufwirft, wieviel Realismus der sog. realistische Comic überhaupt enthält. Da jede Leser:in weiß, dass diese Geschichten irreal sind, stellt sich im Grunde die Frage nach der Realität ihrer Helden gar nicht. Deren Fiktionalität ist offensichtlich, der Nimbus des Helden ist von Anfang an als irreal entlarvt. Die Diskurse, die sie repräsentieren, fortschreiben und mit erfinden, sind jedoch hochgradig real. Die fiktiven Figuren sind, gerade im Fall des Heldentypus, in jedem Fall reale Abbilder, Faltungen diskursiver Realität, die sich u.a. über den Comic und dessen Heldennarrative vermittelt. Umgekehrt lässt sich fragen, ob denn Floyd Godfredsons anarchische Mickey Mouse denn kein Held ist, der immer wieder neu und anders seine Gegenspieler überführt. Welche Eigenschaften gehören also zum Helden?
Zweifellos repräsentiert der Typus des Helden eine Form maskuliner Tapferkeit, die ikonisch dann recht bald auch typengerecht in Szene gesetzt wird (vorgestrecktes, kantiges Kinn; blitzende Augen; Stirnlocke, nicht zwingend blond), die heute, obwohl es diese Figuren immer noch ernsthaft gibt, überwiegend peinlich wirkt. Der Held scheint Vertreter einer patriarchalen, paternalistischen, hegemonialen und jederzeit latent gewalthaltigen Semiotik zu sein. Es kann daher nicht verwundern, dass die Öffnung des Mediums für Heldinnen jenseits maskuliner Schemata nur zögerlich verläuft. Die erste markante Heldinnen-Figur stellt Wonder Woman dar, die zu Beginn der 1940er Jahre eingeführt wird und gleich amazonenhaft den Kampf gegen Hitler aufnimmt. Explizit tauchen Heldinnen, die mit den maskulinen Vorbildern in Sachen Intellekt und Action konkurrieren, seit den 1960er Jahren auf (Modesty Blaise). Dabei wird die Grenze zur Erotisierung des weiblichen Körpers schnell überschritten (Natascha, Druuna, Barbarella). Die Frage ist, ob Figurationen weiblich konnotierter Heroisierungen im Comic ähnlich verlaufen wie bei männlich konnotierten Heroisierungen. Hier ist nach wie vor klärungsbedürftig, welche Differenzen sich beim Gendering von Helden und Heldinnen ergeben oder auch unterbleiben. Damit einher geht die Frage, ob sich bzgl. Kulturtechniken der Heroisierung Essentialisierungen überhaupt unterlaufen lassen und wie die Kategorie des Helden bzw. der Heldin überhaupt kultursemiotisch Verwendung findet. Ob sich epistemologisch, symbolisch überhaupt der Held so einfach in die Heldin übersetzen lässt, bzw. ob das überhaupt wünschenswert wäre, sei dahingestellt. Ziemlich lange ging es eher um Versuche, den Helden oder das Heldische zu dekonstruieren und und zu marginalisieren. Erst in jüngerer Zeit können wir eine Rehabilitierung des Heroischen beobachten, die allerdings in ihren wichtigeren Beiträgen weiterhin reflexiv gebrochen zu sein scheint (Wessely/Heimerl 2020; Spilker 2025; Kainz 2009).
Im seriellen Medium Comic hat die Setzung der stehenden Figur die Etablierung von typisierten Charakteren gewiss unterstützt, was insbesondere der Herausbildung des Heldentypus entgegenkam. Dabei geht es um Figurenzeichnungen und narrative Figurationen, in die sie eingebettet sind, die neben der o.g. Ikonik des Helden ebenso klare charakterliche Kriterien beinhalten. Helden sind Dezisionisten des Augenblicks, ihre Dramaturgie lebt von fortlaufenden Entscheidungen, die ebenso kontingent wie zielstrebig sind, freilich auch aus einem überdimensionierten Repertoire (an Kräften, Kompetenzen, Gadgets oder Gimmicks) zehren dürfen. Sie folgen einem Code der Ehre, sehr viel weniger als einem des in Geltung befindlichen Rechts. Konzepte von Nemesis- und instinktgesteuerter Impulshaftigkeit im Handeln überschatten in abenteuergesättigten Notlagen den durch Gesetze geregelten sittlichen und moralischen Auftrag des Helden. Ethische Integrität ist kein zwingend notwendiges Charakteristikum des Heldischen; selbst wo sie nachdrücklich deklamiert wird, bleibt sie fragwürdig (Batman). Auch Intelligenz ist nicht zwingend, stellt aber ein hilfreiches, zusätzliches Werkzeug unter den heldischen Kompetenzen dar. Im Zweifelsfall ist die Fähigkeit zu schnellem, entschlossenen Handeln (als vitaler Dezisionismus) aber immer entscheidender als zu langwieriges Reflektieren (Lt. Blueberry, Largo Winch, The Spirit). Oftmals besteht die Moral des heldischen Narrativs sogar darin, gerade davon abzusehen, zuviel zu grübeln und damit den Kairos der Entscheidung zu verpassen, weil ansonsten die Lebensdauer der Held:innen signifikant abgekürzt werden kann. Wenige Beispiele zeigen eine reflexiv verfahrende und zugleich erfolgreiche Heldin (i.d.R. Frauen), die dann aber mindestens einige andere Probleme im Leben hat (Caroline Baldwyn).
Kulturhistorisches Vorbild von Helden und Figuren des Heroischen sind eindeutig die Heroen der klassischen griechischen Mythologie. Und natürlich haben Mythologie und Serialität auch deutliche Gemeinsamkeiten, v.a. in Hinblick auf die Prinzipien von Iteration und Differenz. Der antike Held, charakterlich komplex, ethisch nicht immer sauber, aber zugleich Mitbegründer des Rechts (Orest) und, vor allem, den Göttern nah, ist die klare Referenzfigur. Insofern steckt in jeder Figur des Heldischen immer nicht nur ein Funken Antike (und antiker Götterkonzeptionen), sondern auch ein Quentchen Klassizismus mit allen seinen nicht durchwegs unproblematischen Idealen und Normwerten. Andererseits eröffnet das Heroische damit immer auch einen Bezug zur Transzendenz, der bei aller gern geübter Kritik am Heroischen (Bröckling 2020) nicht unterschätzt werden darf. Letztlich verkörpern die Figuren des Heroischen wahrscheinlich mehr Differenz als angenommen (Früchtl 2004).
Am Ende bleibt aber v.a. die Frage, ob denn der Comic auch ein heroisches Medium ist. Ist das Heroische dem Comic schon durch seine medienhistorische Entwicklung, durch dramaturgische Setzungen und ästhetische Sedimentierungen inhärent? Oder distanziert sich das Medium vielmehr von dem Heroischen, dessen Proliferation es vordergründig bis heute betreibt?
Solchen und weiteren Fragestellungen wird sich die 21. Jahrestagung der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) vom 30.09.-02.10.2026 widmen.
Abstracts für Vorträge im Umfang von maximal 250 Worten werden erbeten bis 15. März 2026 an: joern.ahrens@sowi.uni-giessen.de; kirsten.v.hagen@romanistik.uni-giessen.de; frank.t.brinkmann@evtheologie.uni-giessen.de.
ComFor Annual Conference 2026
Location: Justus Liebig University Giessen
Date: Sept. 30-Oct. 02, 2026
Organization: Jörn Ahrens, Frank Thomas Brinkmann, Kirsten von Hagen
Figures and Figurations of the Heroic in Comics
Heroic figures are very present and persistent in contemporary comics. In the history of comics, however, they appear much later than is commonly assumed: in the early days of the medium, slapstick, the grotesque, the avant-garde, and, importantly, everyday subjects dominated. A character who can be compared (albeit initially in a broader sense) to the classic concept of the hero is introduced only in and after the 1920s, with the widespread establishment of realistically drawn comics (Terry and the Pirates, Tarzan, Prince Valiant, Dick Tracy, Superman). Soon, however, they covered every conceivable genre, even inventing a new genre with the superhero comic, which for a long time belonged exclusively to comics. From then on, comics have serially produced heroic subjects in all their facets – although the popularity of superhero comics and their heroic characters raises the question of how much realism the so-called realistic comic actually contains. Since every reader knows that these stories are unreal, the question of the reality of their heroes does not really arise. Their fictionality is obvious, and the hero’s aura is exposed as unreal from the outset.
The discourses they represent, perpetuate, and co-construct are, however, highly real. The fictional characters, particularly in the case of the heroic type, are ultimately real configurations, inflections of discursive reality that is mediated, among other things, through the comic medium and its narratives of heroism. Conversely, one may ask whether Floyd Gottfredson’s anarchic Mickey Mouse is not in fact a hero who repeatedly, and in ever-new ways, outwits his antagonists. So which qualities, then, define a hero?
Undoubtedly, the hero archetype represents a form of masculine bravery that is soon iconically portrayed in a type-appropriate manner (protruding, angular chin; flashing eyes; forehead curl, not necessarily blond), which today, although these figures still exist seriously, mostly appears embarrassing. The hero seems to represent a patriarchal, paternalistic, hegemonic, and latently violent semiotics. It is therefore unsurprising that the opening of the medium to heroines beyond masculine templates has proceeded only hesitantly. The first prominent heroine figure is Wonder Woman, introduced in the early 1940s, who immediately takes up the fight against Hitler in an Amazonian fashion. Heroines who compete with their masculine role models in terms of intellect and action have been appearing explicitly since the 1960s (Modesty Blaise). In the process, the line to the eroticization of the female body is quickly crossed (Natasha, Druuna, Barbarella). The question is whether figurations of female-coded heroizations in comics follow a pattern similar to that of male-coded heroizations.
It remains to be clarified what differences arise or do not arise in the gendering of heroes and heroines. This raises the question of whether essentializations can be undermined at all with regard to the cultural techniques of heroization and how the category of hero or heroine is used in cultural semiotics. Whether the hero can be translated so easily into the heroine epistemologically and symbolically, or whether this would even be desirable, remains to be seen. For quite some time, the focus was rather on attempts to deconstruct and marginalize the hero or the heroic. Only in more recent times can we observe a rehabilitation of the heroic, which, however, still appears to be reflexively fractured in its more significant contributions (Wessely/Heimerl 2020; Spilker 2025; Kainz 2009).
In the serial medium of comics, the use of static figures has certainly helped to establish typified characters, which has been particularly conducive to the development of the hero type. This involves character drawings and narrative figurations in which they are embedded, which, in addition to the above-mentioned iconic nature of the hero, also contain clear character criteria. Heroes are decision-makers of the moment; their dramaturgy thrives on continuous decisions that are as contingent as they are determined, and which may also draw on an oversized repertoire (of powers, skills, gadgets, or gimmicks). They follow a code of honor rather than the prevailing law. Concepts of nemesis-driven and instinct-guided impulsivity in action overshadow, in adventure-saturated emergencies, the hero’s morally and ethically regulated duties. Ethical integrity is not a mandatory characteristic of heroism; even where it is emphatically proclaimed, it remains questionable (Batman). Intelligence is not essential either, but it is a helpful additional tool among heroic skills. When in doubt, however, the ability to act quickly and decisively (as vital decisionism) is always more important than lengthy reflection (according to Blueberry, Largo Winch, The Spirit). Often, the moral of the heroic narrative is to refrain from overthinking and thus missing the kairos of decision-making, because otherwise the hero’s lifespan can be significantly shortened. A few examples show a reflexive and at the same time successful heroine (usually women) who then has at least a few other problems in life (Caroline Baldwyn).
The cultural-historical models for heroes and heroic figures are clearly the heroes of classical Greek mythology. And, of course, mythology and seriality also have clear similarities, especially with regard to the principles of iteration and difference. The ancient hero, complex in character, not always ethically clean, but at the same time co-founder of the law (Orestes) and, above all, close to the gods, is the clear reference figure. In this sense, every heroic figure contains not only a spark of antiquity (and of ancient conceptions of the gods) but also a touch of Classicism, with all its not entirely unproblematic ideals and normative values. On the other hand, the heroic always opens up a connection to the transcendent, which should not be underestimated despite all the criticism often levelled at the heroic (Bröckling 2020). Ultimately, heroic figures probably embody more difference than is assumed (Früchtl 2004).
Ultimately, however, the question remains whether comics are indeed a heroic medium. Is heroism inherent in comics due to their media-historical development, dramaturgical settings, and aesthetic sedimentation? Or does the medium distance itself from heroism, whose proliferation it ostensibly continues to promote to this day?
These and other questions will be addressed at the 21st Annual Conference of the Society for Comic Studies (ComFor) from Sept. 30-Oct. 02, 2026.
Abstracts for presentations, not exceeding 250 words, are invited for submission until March 15, 2026.
Contact details: joern.ahrens@sowi.uni-giessen.de; kirsten.v.hagen@romanistik.uni-giessen.de; frank.t.brinkmann@evtheologie.uni-giessen.de
Beitrag von: Nicola Garofalo
Redaktion: Robert Hesselbach