Literaturwissenschaftliche und -didaktische Konferenz unter Leitung von Christoph Oliver Mayer (Dresden) und Roland Ißler (Bonn)

„Unsere kleine Stadt“ von Thornton Wilder ist eines der zumindest in den USA meistgespielten Theaterstücke auf der Schulbühne, die Stadt im französischen Theater hingegen ein bislang nur ansatzweise erforschtes Terrain. Obwohl der Fokus auf den Raum Stadt/Land mit dem topographical turn einen gehörigen Konjunkturschub erlebt hat, sind noch viele wissenschaftliche Überlegungen darüber anzustellen, welchen Stellenwert Stadt und Städte auf der Bühne gerade in der französischen Literatur und auch im Französischunterricht einnehmen.

Auf dem Frankoromanistentag in Essen 2010 hatten Annette Clamor und Christoph Oliver Mayer in einer Sektion zur „Mise en scène des villes“ ein Potpourri an Städten in französischen Bühnenstücken ausgemacht und mit Fachkollegen einige Themen vertieft. Die Frage nach dem städtischen Ort Theater zeigte, dass dieser in einzelnen Epochen ein eher stadtfreier Raum war, auch wenn gerade die Renaissance- (Goulven Oiry) und die Barock-Komödie (Christoph Oliver Mayer) Städte nicht nur als Dekor nutzten, sondern ihre Handlung in konkrete Stadtarchitektur ansiedelten. Während sich die Klassik in ein historisches (Tragödie) und familiäres (Komödie) Ambiente zurückzieht, tendiert das Aufklärungsdrama ohnehin zum Rückzug in das bürgerliche Haus. Erst die aufkommende Romantik (Susanne Gramatzki, Torsten König) und der Rückgriff auf historische Themen führt zu einer Rückkehr konkreter Städte auf die Bühne, die dann sowohl im Theater (Roland Ißler) als auch in der Oper (Marie-Hélène Rybicki, Anja Scholler-Schärf) florieren und auch in den Folgeepochen in Naturalismus (Annette Clamor) und Symbolismus präsent sind. Blickt man dagegen auf das 20. Jahrhundert, so fällt ein Minimalismus der Bühne, ein Rückzug in die Privatheit und geschlossene Räume auf, die dann die Stadt in andere Gattungen wie das Musical verdrängen.

Insofern als die französischen Theaterstücke uns nicht nur Varianten von Paris, sondern auch anderer französischer (z.B. Lyon bei Corneille) und internationaler Städte (z.B. Sevilla bei Beaumarchais) präsentieren, scheint eine Verknüpfung mit zentralen Lernbereichen des Französischunterrichts sowohl über die szenische Umsetzung (von kleinen Rollenspielen bis hin zu ganzen Theateraufführungen; von der produktiven Lektüre von Dramentexten bis hin zu medialen Aufbereitungen) als auch über die Städte selbst (z.B. Paris in Drama und Film) nicht nur äußerst interessant, sondern auch anregend für beide Disziplinen, die Literaturwissenschaft wie die Fachdidaktik. Aus diesem Grund soll in einem zweiten Schritt das Potential der „Mise en scène des villes“ für den Unterricht erarbeitet werden. Auf dieser Basis wird dann in einem dritten Schritt eine gemeinsame Publikation der Ergebnisse beider Fachtagungen erfolgen, um die innovativen Forschungen einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Für die Konferenz „Die Stadt auf der Bühne im Französischunterricht“ wären somit folgende Arbeitsfelder denkbar:

  • Die Stadt als literarischer Raum im Französischunterricht
  • Theaterprojekte mit Französischlernenden
  • Szenische Rollenspiele als produktive Literaturarbeit
  • Fächerübergreifender Unterricht am Beispiel Theater / Oper
  • Vermittlungsformen der französischen Oper für Schülerinnen und Schüler
  • Theaterbesuch und Theaterrezeption im Französischunterricht

Veranstaltungsort: Vortragssaal des Institut français, Adenauerallee 35, 53113 Bonn

Tagungsprogramm

Mittwoch, 8. Juni 2016

20.30 Gemeinsames Abendessen zum Kennenlernen

Donnerstag, 9. Juni 2016

10.30 Roland Ißler / Christoph Oliver Mayer: Begrüßung und Eröffnung der Tagung
10.45 Annette Clamor (Osnabrück) / Christoph Oliver Mayer (Dresden): Städte in der französischen Literatur. Ein Überblick
(11.30) (Kaffeepause)

12.00 Goulven Oiry (Paris/Lyon): Enseigner un corpus méconnu : Les comédies françaises des années 1550–1650
12.45 Christoph Oliver Mayer (Dresden): Beaumarchais und die Stadt im Fremdsprachenunterricht
(13.30) (Mittagspause)

15.00 Judith Ponwitz (Bonn): Das Theater als Möglichkeit deutsch-französischen Kulturtransfers. Zur Bonner Theaterszene
15.45 Anna Arnould / Ophélie Lavoisier / Frank Marshall (Paris/Bonn): Von Paris nach Bonn – vom Französischen ins Deutsche. Die Wandertruppe des Multicolore Theaters präsentiert eine einmalige und einzigartige Interpretation der Illusion Comique von Pierre Corneille (mit einer szenischen Kostprobe)
(16.30) (Kaffeepause)

17.00 Grazia Dolores Folliero-Metz (Siegen): Tempeste / Stürme! Bericht eines didaktischen Experiments
(18.00) (Gemeinsames Abendessen)

20.00 Besuch der Abendvorstellung des Multicolore-Theaters: Pierre Corneille, L’Illusion comique (Marabu-Theater, Bonn-Beuel)

Freitag, 10. Juni 2016

9.30 Roland Ißler / Christoph Oliver Mayer: Städte im Französischunterricht. Ein Überblick
10.00 Roland Ißler (Bonn): « Où êtes-vous à l’heure où j’écris ces lignes ? » Zur Semantisierung von Stadt und Land in Dumas’ Dame aux camélias
10.45 Judith Ponwitz (Bonn): La mise en scène des villes jumelées. Interkulturelles Lernen und szenisches Spiel im Französischunterricht
(11.30) (Kaffeepause)

12.00 Roland Ißler (Bonn): Le long du Rhin vers l’Europe – Deutsch-französisches Schülertheater am Hardtberg-Gymnasium Bonn
12.45 Annette Clamor (Osnabrück): Zolas ‚Bühnen-Bilder‘: Der Blick auf die Stadt im naturalistischen Theater
13.15 Abschlussdiskussion, organisatorischer Ausblick und Vorstellung des Projekts „Videographie im Französischunterricht (TUD-Sylber)“
13.30 Ende der Tagung und Abreise, zum Ausklang evtl. gemeinsames Mittagessen

Beitrag von: Roland Ißler

Redaktion: Christof Schöch