Frist: 2018-01-15

Leitung: Prof. Dr. Birgit Schädlich (Göttingen), Matthias Grein (Göttingen/Hamburg) & Janina Vernal Schmidt (Lüneburg)
Deadline: 15.01.2018

Das (Schul)Fach Französisch wird als in einer Krise befindlich beschrieben, ist allerdings konstant die Schulfremdsprache mit den zweitmeisten Lernenden, weshalb diese Krisenbeschreibung zu undifferenziert erscheint und Präzisierung verlangt: Forderungen zur deutsch-französischen Zusammenarbeit und zu einer programmatischen Stärkung des Französischen stehen einer hohen Abwahlquote, dem angeblich schlechten Image des Fachs und einer Demotivation der Schüler*innen bezüglich des Erlernens der Sprache gegenüber (Caspari 2010).

Ein Gros der Forschungsliteratur fokussiert sich – häufig aus einer konzeptionell-theoretischen Perspektive – auf diese Krise bezüglich schulischen Französischunterrichts. Weitgehend – auch empirisch – ungeklärt bleibt die Frage danach, wie sich die Krise in der Praxis der Betroffenen an der Universität niederschlägt. Aus diesem Grund wird in dieser Sektion ein erweiternder Blick auf die Akteur*innen geworfen. Der Schwerpunkt soll dabei auf den Studierenden der Frankoromanistik liegen. Als zukünftige Lehrer*innen spielen sie in den verschiedenen Krisendiskursen potentiell eine herausragende Rolle: Christ (2015) sieht Lehrpersonen als (Mit)Verursachende der Krise und verweist zugleich auf deren Handlungspotenzial, die Krise positiv wenden zu können.

Grundlegend stellt sich dabei die Frage, inwiefern Krisen als potenzielle Auslöser von Bildungsprozessen verstanden und positiv verarbeitet werden können (Koller 2012). Dabei erscheint als besonders relevant zu untersuchen, wie derartige (produktive) Krisen für Studierende der Frankoromanistik aussehen, wie sie angeregt und begleitet werden können – ohne dabei zwangsläufig einer neoliberalen Optimierungslogik der „Krise als Chance“ zu verfallen (Höhne 2012). Schulpraktika (Schädlich 2016) oder Auslandsaufenthalte (Kinginger 2004) stellen typische Gelegenheiten für Studierende dar, mit neuen Perspektiven konfrontiert zu werden.

Es lässt sich weiter fragen, wer die Studierenden der (Franko)Romanistik sind und welche Faktoren sich für die Studienfachwahl als ausschlaggebend herausstellen lassen (Weiß et al. 2010). So finden sich z. B. nicht nur deutlich mehr Mädchen in Leistungs- und Profilkursen der Oberstufe, sondern ebenfalls mehr Frauen im Studienfach – auch im Vergleich zu anderen Philologien (Grein 2012). Gleichfalls stellt sich die Frage, ob es spezifische akademische Fachkultur(en) der (Franko)Romanistik gibt (Friebertshäuser 2006). Damit gelangen auch die Hochschullehrenden der Französischdidaktik und die Fachleiter*innen als Ausbilder*innen des zukünftigen Lehrpersonals in den Fokus. Welche Rolle spielen diese Akteur*innen im gegenwärtigen Krisendiskurs?

Die Verbindung von Forschung und Lehre betrifft ebenso das Verhältnis zwischen den institutionalisierten Einzelsprachen: Ist Mehrsprachigkeit nur Lerngegenstand oder selbst potentielles Medium universitärer Lehre? Während das Verhältnis zwischen Spanisch und Französisch in der Schule mitunter als geradezu kriegerisch beschrieben wird (Caspari/Rössler 2008), stellt sich die Frage, ob an der Uni eher ein (desinteressiertes) Nebeneinander, eine Zusammenarbeit oder sogar eine Konkurrenzsituation in der Lehrer*innenbildung herrscht. Der Status von Französisch als Heritage Language im Studium ist ebenfalls wenig erforscht. Darüber hinaus stellt sich die allgemeinere Frage danach, welche sprachlichen und weiteren Kompetenzen für welche Facetten des Studiums und des professionellen Handelns notwendig und gegeben sind (Bürgel/Siepmann 2010; Schädlich 2009).

Studierende stellen nicht zuletzt den potentiellen akademischen Nachwuchs dar. Daher ist zu fragen, ob auch hier eine Krise für Französisch zu konstatieren ist oder ob die Situation des akademischen Nachwuchses bei ökonomisch wenig direkt konvertierbarer Forschung womöglich generell problematisch ist (Vester-Lange 2016). Auch die Thematisierung von Krisen selbst kann auch untersucht werden, dabei können z.B. Strukturen und Funktionen der Krisendiskurse im jeweiligen Feld fokussiert werden (Fegter 2012).

Die Sektion setzt sich zum Ziel, die sogenannte „Krise des Französischen“ in den skizzierten, unterschiedlichen Facetten zugänglich zu machen. Dabei soll der Fokus auf empirischen Forschungsarbeiten zu dieser Thematik liegen. Für die Sektion sind Beiträge willkommen, die sich mit empirischer Forschung für/ trotz/ mit/ über/ ohne/ von Studierende(n) im Krisendiskurs des Französischunterrichts beschäftigen.

  • Forschung über Lehramtsstudierende – Z. B. Lern-, Lehr- oder Reflexionsprozesse der Akteur*innen;
  • Forschung von Lehramtsstudierenden – Welche Themen interessieren Studierende? Was kann/soll der Stellenwert von empirischer Forschung im Lehramtsstudium sein? Welche Vertiefungen sind im Rahmen von kleineren Qualifikationsarbeiten möglich?
  • Forschung mit Lehramtsstudierenden – Welche Formate forschenden Lernens (Huber 2014) werden im Studium behandelt und welche Art von Ergebnissen kann angestrebt werden?
  • Forschung und Lehre – Inwiefern stehen diese beiden Sphären in der Academia in einem Spannungsverhältnis zueinander? Wie kann z. B. mit limitierten Ressourcen in der Forschung und/ oder Lehre umgegangen werden? Wie wird mit der Abhängigkeit Studierender von den sie beforschenden Lehrenden verfahren und wie wird die Frage nach der Autor*innenschaft gemeinsamer Produkte verhandelt (Viehbrock 2015)?

Als thematische Aspekte sind z. B. denkbar:

  • Die Vielfalt empirischer Forschung – was ist überhaupt ihr Anspruch und was kann sie leisten, insbesondere bezüglich der postulierten Krise?
  • Exemplarische Arbeiten, die sich des Krisendiskurses oder Teildiskursen der Krise annehmen.
  • Empirische Arbeiten mit Fokus auf Studierende als ehemalige Schüler*innen und zukünftige Lehrende des Fachs.

Ausdrücklich laden wir auch fortgeschrittene Studierende ein, themenbezogene Vortragsvorschläge einzureichen.

Das Abstract sollte folgende Aspekte deutlich umreißen: Welcher empirische Ansatz wird gewählt, um auf welchen krisenhaften Aspekt des Französischunterrichts zu reagieren? Inwiefern liegt der Fokus auf Studierenden des Fachs Französisch?

Literatur:

Bürgel, Christoph/ Siepmann, Dirk (2010): Was können Französischlerner und lehrer? Wortschatz und Hörverstehenskompetenzen auf dem Prüfstand. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 21 (2), 191-216.
Caspari, Daniela/ Rössler, Andrea (2008): Französisch gegen Spanisch? Überlegungen aus Sicht der romanischen Mehrsprachigkeitsdidaktik. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 19 (1) 61-82.
Caspari, Daniela (2010): Französischunterricht in Deutschland – aktuelle Situation und Zukunftsperspektiven. In: Porsch, Raphaela/ Tesch, Bernd/ Köller, Olaf (Hrsg.): Standardbasierte Testentwicklung und Leistungsmessung. Französisch in der Sekundarstufe I. Münster: Waxmann, 11-24.
Christ, Ingeborg (2015): Zur heutigen Situation des Französischunterrichts in Deutschland. In: Krechel, Hans-Ludwig (Hrsg.): Fachdidaktik: Französisch-Didaktik: Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen, 33-49.
Fegter, Susann (2012): Die Krise der Jungen in Bildung und Erziehung. Diskursive Konstruktion von Geschlecht und Männlichkeit. Wiesbaden: VS Verlag.
Friebertshäuser, Barbara (2006): StudentInnenforschung – Überblick, Bilanz und Perspektiven biographieanalytischer Zugänge. In: Krüger, Heinz-Hermann/ Marotzki, Winfried (Hrsg.): Handbuch erziehungswissenschaftliche Biographieforschung. Wiesbaden: VS Verlag, 295-315.
Grein, Matthias (2012): Geschlechterforschung und Fachdidaktik Französisch (mit Hinweisen auf Fachdidaktik Spanisch). In: Kampshoff, Marita/ Wiepcke, Claudia (Hrsg.): Handbuch Geschlechterforschung und Fachdidaktik. Wiesbaden: VS Verlag, 169-183.
Höhne, Thomas (2012): Die Krise als Chance? Eine habitustheoretische Dekonstruktion des Bewältigungsbegriffs. In: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 37 (4), 403-420.
Huber, Ludwig (2014): Forschungsbasiertes, Forschungsorientiertes, Forschendes Lernen: Alles dasselbe? Ein Plädoyer für eine Verständigung über Begriffe und Unterscheidungen im Feld forschungsnahen Lehrens und Lernens. In: Das Hochschulwesen 62 (1+2), 32-39.
Kinginger, Celeste (2004): Alice Doesn’t Live Here Anymore: Foreign Language Learning and Identity Reconstruction. In: Pavlenko, Aneta/ Blackledge, Adrian (Hrsg.): Negotiation of Identities in Multilingual Contexts. Clevedon, UK: Multilingual Matters, 219–242.
Hans-Christoph Koller (2012): Bildung anders denken. Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Stuttgart: Kohlhammer.
Schädlich, Birgit (2009): Literatur Lesen Lernen. Literaturwissenschaftliche Seminare aus der Perspektive von Lehrenden und Studierenden. Eine qualitativ-empirische Studie. Tübingen: Narr.
Schädlich, Birgit (2016): Das Fachpraktikum Französisch: Ort der Entwicklung reflexiver Handlungskompetenz für Studierende im Master of Education? Eine Projektskizze. In: Zeitschrift für romanische Sprachen und ihre Didaktik 10 (1), 69-90.
Vester-Lange, Andrea (2016): Zwischen W3 und Hartz IV: Zumutungen prekarisierter Arbeitsbedingungen für den (erziehungs-)wissenschaftlichen Nachwuchs. In: Erziehungswissenschaft 27 (53), 21-29.
Viebrock, Britta (2015): Ethik in der Fremdsprachenforschung. Eine systemische Betrachtung. Frankfurt/Main: Lang.
Weiß, Sabine/ Braune, Agnes/ Kiel, Ewald (2010). Berufswunsch Französischlehrer/in – Motive und Selbstbild. In: Französisch heute, 41 (3), 129-135.

Zugesagte Teilnehmende
Prof. Dr. Dagmar Abendroth-Timmer (Siegen)
Prof. Dr. Christoph Bürgel (Paderborn)
Prof. Dr. Daniela Caspari (FU Berlin)
JProf. Dr. Marta García García (Göttingen)
Prof. Dr. Sílvia Melo-Pfeifer (Hamburg)

Sektionsleitung
Prof. Dr. Birgit Schädlich
Georg-August-Universität Göttingen
Seminar für romanische Philologie
Humboldtallee 19
D – 37073 Göttingen
birgit.schaedlich@phil.uni-goettingen.de

Matthias Grein
Georg-August-Universität Göttingen
Seminar für romanische Philologie
Humboldtallee 19
D – 37073 Göttingen
matthias.grein@phil.uni-goettingen.de

Janina Vernal Schmidt
Leuphana Universität Lüneburg
Institut für Deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik
Universitätsallee 1
D – 21335 Lüneburg
janina.vernal@leuphana.de

Beitrag von: Redaktion romanistik.de

Redaktion: Christof Schöch