Stadt: Osnabrück

Frist: 2018-01-15

Beginn: 2018-09-26

Ende: 2018-09-29

URL: http://www.francoromanistes.de/fileadmin/verband/frv/documents/CfP_Frankoromanistentag_Osnabrueck2018.pdf

Sektion 5: Vergangenheitsbewältigung in unruhigen Zeiten.
Figuren der Französischen Revolution (1793/94–99) im nationalen Gedächtnis Frankreichs
Sektionsleitung: Prof. Dr. Kirsten von Hagen (Gießen) und Dr. Anna Isabell Wörsdörfer (Gießen)
im Rahmen des literaturwissenschaftlichen Programms

Call for Abstracts

Die Französische Revolution als epochaler Einschnitt mit tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen stellt sich – jenseits der legislativen Forderungen und Umsetzungen einer geistigen Elite – in ihren konkreten Manifestationen auf den Straßen von Paris und in der Provinz als ganz entscheidend von aggressiven physischen Auseinandersetzungen geprägtes Ereignis dar. Mit dem ‚Krisenjahr‘ 1793/94 tritt das Revolutionsgeschehen in eine neue (Bürger-)Kriegsphase ein, insofern als die Grande Terreur die innerfranzösischen Konflikte mit massenhaften Guillotinierungen auf eine neue Eskalationsstufe hebt. Diese und andere alltäglich gewordenen Gewaltexzesse haben Spuren im kollektiven – kommunikativen wie kulturellen – Gedächtnis Frankreichs hinterlassen (Halbwachs 1950, Assmann 1992), welche durch die Literatur einerseits noch in der Revolution selbst und andererseits gerade auch in erneuten Phasen der Unsicherheit (wie dem gesamten 19. Jahrhundert mit schnell wechselnden Staats- und Regierungsformen unterschiedlichster politischer Couleur und dem 20. Jahrhundert der Weltkriege) über die literarisch-produktive Rezeption eine Aufarbeitung erfahren.
Unter einer erinnerungskulturwissenschaftlichen Perspektive (Erll 2004), die nicht das Statisch-Einheitliche, sondern v. a. das Prozesshafte und die Pluralität der literarisch-kommemorativen Beschäftigung in den Blick zu nehmen vermag, will sich die Sektion mit verschiedenen Bewältigungsversuchen der revolutionären Vergangenheit in und um Kriegs- und Krisenzeiten auseinandersetzen, wobei diese Angebote ihrerseits unter den einzelnen Erinnerungsgemeinschaften erhebliches Konfliktpotenzial besitzen. Die unter dem Motto „Die Literatur in der Revolution – die Revolution in der Literatur“ stehenden Vorträge eröffnen so die Sicht zum einen auf unmittelbare Reaktionen (z. B. Vaudeville und politische Rede als tagesaktuelle Erinnerungsgattungen), zum anderen auf kontroverse Auseinandersetzungen aus der Distanz (diachron: Erinnerungskonjunkturen während Kriegen und Krisen, synchron: ideologisch gefärbte Erinnerungskonkurrenzen). Dabei sollen jene aus dem revolutionären Kriegschaos ‚herausragenden‘ Gruppierungen wie auch Einzelfiguren in ihren jeweiligen Konstellationen im Mittelpunkt der Analyse stehen, welchen – als gemeinsames Merkmal – allesamt Blut an den Händen klebt und die – als unterscheidendes Merkmal – ganz unterschiedliche Positionen innerhalb der Hoch- und Endphase der Revolution vertreten. Untersuchungsgegenstände (nicht exhaustiv und als Anregung verstanden) können beispielsweise sein:

- Die Ermordung des radikal-jakobinischen Jean Paul Marat durch die girondistisch beeinflusste Charlotte Corday: anonym: L’ami du peuple ou la mort de Marat (1793), André Chénier: À Charlotte Corday (1794), Victor Ducange und Auguste Anicet-Bourgeois: Sept heures (1829), Alphonse de Lamartine: Histoire des Girondins (1847), François Ponsard: Charlotte Corday (1850), Pierre Drieu la Rochelle: Charlotte Corday (1944)

- Der innerjakobinische Konflikt im Wohlfahrtsausschuss zwischen Danton und Robespierre, der für beide unter der Guillotine endet: Robespierre: Ultime discours (1794), [Georg Büchner: Dantons Tod (1835)], Romain Rolland: Danton (1900) und Robespierre (1939), Anatole France: Les dieux ont soif (1912), Saint-Georges de Bouhélier: La sang de Danton (1931)

- Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen königstreuen, konterrevolutionären Chouans und Revolutionstruppen: [Chansons der Revolutionszeit wie „Chant de départ pour l’armée des chouans“, „La Carmagnole des brigands de la Vendée“ u. a.], Honoré de Balzac: Les Chouans (1829), Jules Barbey d’Aurevilly: Le Chevalier Des Touches (1864), Alexandre Dumas père: Les Blancs et Bleus (1867) Victor Hugo: Quatre-vingt-treize (1874), [Philippe de Broca: Chouans! (1987)]

In einer von den Individuen abstrahierenden Perspektive sollen darüber hinaus auch Überlegungen zu den allgemein(-gültig)en Mechanismen revolutionärer Umbrüche angeregt werden, die insbesondere im jeweiligen Rezeptionskontext der eigenen Kriegs- und Krisenzeit als Ausdruck erinnerungskultureller Prozesse affirmativer oder ablehnender Natur auszudeuten sind.

Zitierte Literatur zur Methodik
Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. 3. Auflage. München 2000 1992.
Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung. 2. Auflage Stuttgart 2011 2004.
Halbwachs, Maurice: La mémoire collective. Nouvelle édition revue et augmentée. Paris 1997 1950.

Wir bitten um die Zusendung eines Abstracts Ihres Vortrags von nicht mehr als 300 Wörtern inklusive einer kurzen Liste der Literaturangaben bis zum 15. Januar 2018.

Sie erhalten Nachricht über die Annahme Ihres Vortrags bis spätestens am 31. Januar 2018.

Kontakt: Prof. Dr. Kirsten von Hagen (Kirsten.v.Hagen@romanistik.uni-giessen.de) und Dr. Anna Isabell Wörsdörfer (Anna.Woersdoerfer@romanistik.uni-giessen.de)

Beitrag von: Anna Isabell Wörsdörfer

Redaktion: Marcel Schmitt