Es waren nur sehr wenige Jahre, in denen Konrad Schoell und ich uns kannten, in denen wir zusammen gearbeitet haben, auf dem Gang des Hochhauses, in dem die Mitarbeiter der Universität Erfurt untergebracht waren. Darunter die romanistischen, in trauter Gemeinschaft, Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Didaktik und Sprachpraxis, oft bei offenen Türen, um Lehre vorzubereiten, Studienpläne zu schreiben, Aufsätze zu konzipieren oder Gremienentscheidungen zu diskutieren. In Rufweite gewissermaßen, wie akademischer Alltag eben war. Manchmal sind wir über Erfurt hinaus gekommen, haben eine Tagungssektion gemeinsam ausgerichtet, weiter westlich, in Aachen, oder haben zusammen an Publikationen gearbeitet und uns auf Verbandstagungen gesehen und gesprochen. Das blieb auch im Jahr 2003 nach der Emeritierung von Konrad Schoell so, wenn auch weniger frequent. In den vergangenen Jahren hatte er sich zurückgezogen, vielleicht hätten wir uns zum 20. Jubiläum der Erfurter Romanistik im Jahr 2012 wieder gesehen, gesundheitliche Gründe hielten ihn von der Reise von Kassel nach Thüringen ab.

Sicher gibt es Gefährten und Kollegen, welche die akademische Arbeit und den immensen Beitrag von Konrad Schoell für die Romanistik in Deutschland umfang- und anekdotenreicher erinnern: als engagierter erster Vorsitzender des Frankoromanistenverbandes, als ausgewiesener Experte des französischen und italienischen Theaters vom Mittelalter bis zu den Avantgarden des 20. Jahrhunderts oder als geduldiger Verhandlungspartner mit Ministerien und Verwaltungen, ob auf Französisch oder auf Deutsch. Nicht einmal als seine Schülerin könnte ich mich bezeichnen, obwohl ich als seine Assistentin eingestellt war. An der Universität Erfurt — Konrad Schoell gründete 1992 dort das Institut für Romanistik, als diese noch eine Pädagogische Hochschule war — galten in den ersten Nullerjahren die alt hergebrachten Rollenfunktionen feudal-hierarchischer Arbeitsstrukturen bereits nicht mehr. Und das, obwohl Bologna gerade erst eingerichtet wurde und das Ausmaß der Reform kaum jemandem bewusst sein konnte. Interne Machtquerelen hätte sich ein kleines Fach im Aufbau, eine Romanistik mitten in Deutschland, von der französischen Grenze ähnlich weit entfernt wie von der polnischen, nicht leisten können. Auf solchen hat Konrad Schoell auch nie bestanden, sie waren ihm fremd.

Genau deshalb habe ich selbst in der kurzen Zeit, in der wir uns kannten, viel von ihm gelernt. Konrad Schoell hat sein immenses Wissen über Literatur, Theater und Wissenschaft geteilt, nicht nur durch die Vielzahl seiner Aufsätze und Vorträge, sondern auch auf dem romanistischen Gang in Erfurt, nebenbei, wenn es um Seminarthemen, Sektionsausschreibungen oder präzise Formulierungen in Aufsätzen ging. Ebenso hat er das Nachwissen der Jüngeren gelten lassen, auch wenn es ihm, dem brillanten Kenner des Theaters und ihrer Protagonisten von Maître Pierre Pathelin bis zum französischen Drama, ebenso fremd war, über organlose Körper im Doppel-Theater der Grausamkeit zu diskutieren. Bei aller Unübersichtlichkeit, die geradezu wissenschaftsfeindliche Verwaltungsapparate in Verbänden und Institutionen anstiften können, hat Konrad Schoell in vielen Leitungsfunktionen die Ruhe bewahrt und die Interessen einer fremdsprachlichen Literaturwissenschaft, wenn er vor “offiziöse Aufgaben” stand, wie er sie nannte sachlich vertreten.

Konrad Schoell hat offensichtlich gerne geschrieben, er betrieb eine schnörkellose Wissenschaft, die immer von der Literatur, von der gespielten Szene, vom Bühnenstück ausging, die, anstatt einen theoretischen Anlauf zu nehmen, ihre Lektüren in breiten sozio-historischen Perspektiven entfaltete. So war es auch ein Vergnügen, seine Bücher, Schriften und Aufsätze zu lesen, allein schon deshalb, weil man hinterher in jedem Fall schlauer war als zuvor.

Man wusste dann zum Beispiel, dass die Gattungsgrenzen für Samuel Beckett zwischen Film, Theater und Literatur in dessen spätem Werk eine geringer Rolle spielten als zu Beginn; man erfuhr, was die Dadaisten unter einer ‘soirée-provocation’ verstanden und dass solche Abende zuweilen in Prügeleien endeten; dass die ‘farce’ am Ende des Mittelalters die zentrale Gattung war, in der sich die sozialen Konflikte einer gesamten Gesellschaft, ihre Geschlechterrollen, Generationsunterschiede und Standesordnungen spielerisch und kritisch spiegelten.

So kurz die Zeit war, in der wir uns kannten, so klar erinnere ich unsere Kooperationen, Gespräche und seine Unterstützung bei allem Vertrauen, das er in andere Arbeitsweisen und andere Fragestellungen hatte. Der frühe Tod von Konrad Schoell ist traurig, die Erinnerungen an eine akademische Zusammenarbeit und ihre Resultate aber sind lebendig und dafür bin ich ihm dankbar.

- Eva Erdmann, Freiburg im Breisgau

Beitrag von: Christof Schöch

Redaktion: Redaktion romanistik.de