Blankensee-Colloquium, 4. — 6. Oktober 2018

RÜCKZUG
Produktivität des Solitären in Kunst, Religion und Geschlechtergeschichte

Turbulenzen im Feld des Sozialen, Politischen, Religiösen oder in der Kunst haben in der Regel konträre Reaktionen zur Folge: Sie können entweder Beachtung, Einmischung, Protest hervorrufen, oder aber zu Rückzug, innerer Emigration sowie (freiwilliger) Isolation führen. In der bisherigen Geschlechterforschung gerieten Fragen nach Rückzug und Isolation kaum in den Fokus, obwohl Weltabkehr und Abkapselung soziale Interaktionen ebenso wie Konzepte des sozialen und biologischen Geschlechts neu bestimmen.

‚Rückzug‘ impliziert eine erweiterte Perspektive auf das Phänomen der gewählten produktiven Isolation, in der Fragen des Geschlechts virulent werden. Dabei sollen insbesondere jene diskursiven, oft metaphorischen Formationen jenseits starrer Genderdichotomien berücksichtigt werden, in denen das Geschlecht als Code (auch entgegen und komplementär zum biologischen Geschlecht) figuriert.

Es gilt, gesellschaftliche, politische und ästhetische Implikationen religiöser bzw. säkularer und post-säkularer Rückzugspraktiken und -narrative aus diachroner und systematischer Perspektive zu diskutieren und dabei historische und zeitgenössische Phänomene analytisch miteinander zu konfrontieren. In der Auseinandersetzung mit Diskursen, Artefakten und Theorien, in denen Geschlecht verhandelt wird, stellen sich etwa folgende Fragen: Auf welche Weise schließen säkuläre bzw. post-säkulare Formen des Rückzugs an vormoderne (orthodoxe bzw. dissidente) religiöse Muster an und transformieren diese ebenso wie den Diskurs über sie? Welche Brüche, Widersprüche und Transgressionen werden in der longue durée sichtbar? Welche Konzepte von Produktivität und Engagement werden dabei ausgehandelt? Gibt es geschlechtsspezifische Topographien des Rückzugs? Welche (alternativen) Geschlechtermodelle werden dabei diskursiviert, praktiziert oder unterlaufen?

DONNERSTAG 4.10.

14.00 BEGRÜSSUNG UND EINFÜHRUNG

Jenny Haase (Humboldt-Universität zu Berlin)
Xenia von Tippelskirch (Humboldt-Universität zu Berlin)
Beatrice Trînca (Freie Universität Berlin)

FREIHEIT
Moderation: Leonie Höckbert Johannes (Gutenberg-Universität Mainz)

14.30 Christian Schmidt (Georg-August-Universität Göttingen)
Ir dage sunder si verdreib. Rückzüge Elisabeths von Thüringen in der Verslegende „Sente Elsebede leben“ (um 1300)

15.30 Ina Bergmann (Julius-Maximilians-Universität Würzburg)
The Liberty of Solitude: Einsamkeit und Freiheit im Leben und Werk amerikanischer Autorinnen des 19. Jahrhunderts

16.30 Stehempfang

18.00 Führung Gemäldegalerie

FREITAG, 5.10.

SELBSTSORGE
Moderation: Audrey Lasserre (UCL Louvain-la-Neuve)

9.00 Azucena González Blanco (Universidad de Granada)
Silence of the Self/Yes. Technologies of Emancipation in Late Foucault

10.00 Mette Birkedal Bruun (University of Copenhagen)
The Early Modern_ oraison privée_: Space, Praxis, and State of Mind

11.00 Kaffee

HETEROTOPIEN
Moderation: Sophie Houdard (Université Paris 3 – Sorbonne Nouvelle)

11.30 Markus Greulich (Universität Paderborn)
Rückzug in die Welt. Kontexte von Schondochs „Königin von Frankreich“

12.30 Barbara Ventarola (Freie Universität Berlin)
Das Kloster als Heterotop: Sor Juana Inés de la Cruz

13.30 Mittagessen

ASKESE
Moderation: Hartmut Zinser (Freie Universität Berlin)

16.00 Martina Bengert (Ludwig-Maximilians-Universität München)
Rückzug aus dem Ich, Eintritt in die Blätter der Seele: Simone Weils „Cahiers“

17.00 Jörg Dünne (Humboldt-Universität zu Berlin)
Reservate der Imagination in Trás-os-Montes – Zur Geburt eines Heiligen in „O Ornitólogo“ von João Pedro Rodrigues

19.30 Abendessen

SAMSTAG, 6.10.

GEMEINSCHAFT Moderation: Elisabeth Fischer (Universität Hamburg)

9.30 Julia Weitbrecht (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
Kollektive Brautschaft. Zur Transformation asketischer Leitbilder im „bůch von den heilgen megden und frowen“ (um 1460)

10.30 Ilaria Hoppe (Katholische Privatuniversität Linz)
Kollektive feministische Räume: Vom Womanhouse (1972) zum Hackerspace (2009)

11.30 Kaffee

12.00 Abschlussdiskussion

13.00 Mittagessen

TAGUNGSORT Centre Marc Bloch — Friedrichstraße 191 — 10117 Berlin U-Bahn Stadtmitte

ORGANISATION:

Xenia von Tippelskirch Institut für Geschichtswissenschaften — Humboldt-Universität zu Berlin
Beatrice Trînca Institut für Religionswissenschaft — Freie Universität Berlin
Jenny Haase Institut für Romanistik — Humboldt-Universität zu Berlin

Nachfragen: tippelsk@hu-berlin.de

Beitrag von: Jenny Haase

Redaktion: Christof Schöch