Stadt: Rostock

Frist: 2014-10-31

Beginn: 2015-03-05

Ende: 2015-03-07

URL: http://www.fjr2015.uni-rostock.de

Ausgehend von den Begriffen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit wollen wir aus romanistischer Perspektive die aktuelle Debatte über Transparenz, Verborgenes und Enthüllung aufgreifen und weiterführen. Dabei bilden Unsichtbarkeit und Sichtbarkeit nicht nur scharfe Gegensätze, son-dern bedingen sich auch wechselseitig.

Die Aktualität des Themas zeigt sich beispielhaft in derzeitigen Diskussionen über Datendiebstahl, Überwachung und mediale Verschleierung. In ihnen wird die Frage aufgeworfen, was sich-tbar (gemacht) werden darf und was unsichtbar bleiben soll. Gleichzeitig besitzt das Thema (Un-)Sichtbarkeiten in der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte überzeitliche Relevanz. Aspekte wie Zensur, (Un-)Möglichkeiten der Darstellbarkeit, Wissen und Nichtwissen sowie damit verbunden die Frage nach Machtstrukturen beweisen die große Spannbreite der Thematik. Unsichtbarkeit wie auch Sichtbarmachung können vielfältig funktionalisiert werden.

In den einzelnen romanistischen Disziplinen können folgende Aspekte als Anregung dienen, interdisziplinäre Beiträge sind ausdrücklich erwünscht:

Sprachwissenschaft
In der romanischen Sprachwissenschaft können synchrone und diachrone Aspekte, die häufig auch transversal zu verschiedenen sprachwissenschaftlichen Teilgebieten verlaufen, betrachtet werden.
- Inwiefern bewirkt Zensur ein Wechselverhältnis zwischen dem Unsichtbarwerden (be-stimmter) Inhalte und dem Unsichtbarwerden (bestimmter) sprachlicher Ausdrücke (z. B. Rolle der Zensur in der Lexikografie, der Übersetzung und in modernen Medien)?
- Sprachliche Tabus auf lexikalischer und diskursiver Ebene, die möglicherweise in eine nur noch formelhafte und intransparente Sprache münden (z. B. die Verwendung bestimmter rhetorischer Strategien, aber auch die Unterscheidung von politisch korrekter und unkorrekter Sprache).
- Wechselbeziehung zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit aus varietäten- und soziolinguistischer Perspektive: Dienen z. B. Gruppen- oder Geheimsprachen dazu, bestimmte Inhalte durch das gewählte sprachliche Gewand für Außenstehende intransparent zu machen, oder geht es dabei darum, die Gruppe als solche nach außen hin sichtbar werden zu lassen?
- Markiertheit bestimmter Formen im Sprachsystem, Salienz, Prominenz und Strategien der Sichtbarmachung (z. B. Femininbildungen zum als neutral empfundenen Grundwort; markierte Wortstellungen; prosodische Phänomene; pragmatische Kategorien wie Fokus und Topic).
- Linguistic landscapes, insbesondere in multilingualen Gesellschaften, als (visuelle) Sichtbarkeit von Sprache und Schrift im öffentlichen Raum, z. B. auf Schildern, Werbeplakaten, Aushängen etc.
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Literaturwissenschaft
Die Spannung und die unscharfe Grenze zwischen Sichtbarkeiten und Unsichtbarkeiten lassen sich sowohl in Bezug auf den Darstellungsgegenstand als auch auf die Art der literarischen Dar-stellung diskutieren.
- Literarische, metaliterarische, ästhetische und poetologische Fragen der Darstellbarkeit, Poetiken des Verschwindens und Auftauchens.
- Grenzen des Erfahrbaren und seiner Darstellung.
- Das Verhältnis von Abbildungen (Bild, Kunst, Kartografie etc.) und Text. Ist Visualität im Text herstellbar und welche Strategien können in diesem Wechselbezug beobachtet werden? Wie können Medien durch andere Medien sichtbar gemacht werden? (Interme-dialität).
- In Bezug auf narratologische Problemstellungen treten Erzählinstanzen wie der unsich-tbare oder der unzuverlässige Erzähler in den Blickpunkt: Unter dem Schlagwort der Fokalisierung können die Begriffe „(Nicht-)Sehen“ und „(Nicht-)Wissen“ verhandelt werden.
- Topoi wie Geheimnis, Tabu, Beobachten, Voyeurismus, Preisgabe, Offenbarung und Verschleierung. Welche Strategien des Verschleierns (z. B. in den romanischen Wider-standsliteraturen, im Liebesdiskurs (dissimulation), in der fantastischen Literatur), aber auch des Sichtbarmachens erzeugen eigene Codes, Zeichensysteme und Ästhetiken?
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Kulturwissenschaft
Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive bietet sich die Beschäftigung mit gesellschaftlichen Ereignissen und kulturellen Phänomenen an, die auf den ersten Blick unsichtbar sind (oder es zu sein scheinen) und erst durch die wissenschaftliche Beschreibung sichtbar gemacht werden können. In Bezug auf deutlich Sichtbares kann hingegen der Frage nachgegangen werden, wie sich diese Sichtbarkeit konstituiert oder konstruiert wird.
- Untersuchung politischer Strukturen auf ihre Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, inwiefern sind diese Machtstrukturen (bewusst) sichtbar oder verborgen? (Transparomania)
- Werden mediale Verfahren (in) der Politik der Demokratie gerecht, d. h. beweisen sie Transparenz? Wenn ja, in welchem Grade tun sie es? Welche gesellschaftlichen Auswir-kungen hat es, wenn Politik, Staat und Wirtschaft sich bestimmter Medien bemächtigen, um deren Inhalte und Daten sichtbar zu machen und auszunutzen, während dieses Vor-gehen für die Eigentümer der Daten unsichtbar bleibt (Inszenierung von Öffentlichkeit, mediale Verfahren)?
- Verborgene Diskurse in öffentlichen politischen Debatten (z. B. Eurokrise).
- Inwiefern werden Identitätsmarker (nationality, gender, sex, sexuality, race, ethnicity etc.) und dadurch entstehende Zuschreibungen als (un-)sichtbar konstituiert? Umgekehrt kann auch gefragt werden, inwiefern gesellschaftliche Sehgewohnheiten, Normen und Konventionen in der Romania diese (Un-)Sichtbarkeiten erzeugen.
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Fachdidaktik
In der Fachdidaktik spielen (Un-)Sichtbarkeiten auf sehr unterschiedlichen Ebenen eine Rolle – auf der sprachlichen, in Bezug auf die Unterrichtsgestaltung, im Hinblick auf den oder die einzelne_n Lerner_in.
- Besondere Schwierigkeiten können sich beim Erlernen intransparenter sprachlicher Strukturen ergeben (z. B. im Bereich der Orthografie oder der Wortbildung). Umgekehrt können sichtbare Zusammenhänge (z. B. im Rahmen der romanischen Mehrsprachigkeitsdidaktik) Lernprozesse erleichtern.
- (Un-)Sichtbarmachung von Heterogenität und Semantiken der Differenz bei der Planung und Durchführung von Fremdsprachenunterricht sowie bei der Konzeption von Lehr-mitteln (z. B. Berücksichtigung von Minderheiten, Geschlechterbildern, Lebensentwür-fen).
- Wie viel Einfluss hat die Offenlegung von Zielsetzungen im Unterricht auf den Lern-erfolg? Wie kann die Unterrichtsstruktur transparent gemacht werden?
- Inwiefern sind bestimmte Prüfungs- und Bewertungsverfahren geeignet, die eigenen Lernprozesse und -ergebnisse für die Schüler_innen sichtbar zu machen?
- Lernstrategien und Lerner_innentypen, die mehr oder weniger auf visuelle, sichtbare Verankerungspunkte hin angelegt sein können.
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Wir bitten alle Interessierten um die Zusendung eines Abstracts in der geplanten Vortragssprache (Deutsch oder eine romanische Sprache) im Umfang von max. 400 Wörtern (exkl. Bibliografie) bis zum 31. Oktober 2014 an fjr2015@uni-rostock.de. Geben Sie auf dem Abstract bitte auch Ihren Namen, Ihre Disziplin, Ihre Institution sowie fünf key words zu Ihrem Vorschlag an. Die Vorträge haben einen Umfang von 20 Minuten. Eine Rückmeldung über die Annahme des Abstracts erfolgt Mitte Dezember 2014. Im Anschluss an das Forum ist eine Publikation ausgewählter Beiträge vorgesehen.

Beitrag von: Jennifer Roger

Redaktion: Christof Schöch