Stadt: Mannheim

Frist: 2015-01-15

Beginn: 2015-07-26

Ende: 2015-07-29

URL: http://www.romanistentag.de/

Sektionsleitung:
Jun.-Prof. Dr. Corinna Koch (Universität Paderborn) und Dr. Michael Schneider (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Die heutige Gesellschaft und mit ihr der Unterricht romanischer Sprachen ist zunehmend auf Effizienz ausgerichtet. Es geht um den möglichst wirksamen, aber sparsamen, also überlegten, Umgang mit Ressourcen bei dennoch maximalem Ertrag, der sich am Leitziel des modernen Fremdsprachenunterrichts, der interkulturellen kommunikativen Kompetenz, orientiert (vgl. z. B. KMK 2012). Im Gegensatz zu „Effektivität“, die unabhängig vom Aufwand einzig die Wirksamkeit und Qualität am Ende betrachtet, geht es in einer „Kultur der Effizienz“ um das optimale Ausschöpfen von Zeit, Vorwissen und persönlichen Stärken der Lernenden. Das Ziel ist somit eine bestmögliche Kosten-Nutzen-Relation für den einzelnen Lernenden. Nicht zuletzt die G8-Schulzeitverkürzung, die Bildungsstandards und die damit verbundene Outputorientierung der neuen Lehrpläne führen dazu, dass in noch kürzerer Zeit festgeschriebene Kompetenzniveaus erreicht werden müssen – Inhalte treten dabei zunächst in den Hintergrund (vgl. Rössler 2008) – und eine Ausbildung selbstständig Lernender angestrebt wird.
Für den Unterricht romanischer Sprachen birgt diese Ausrichtung auf Effizienz Vor- und Nachteile, die in dieser Sektion im Zentrum stehen sollen. Dabei werden verschiedene Bereiche des romanis-tischen Fremdsprachenunterrichts beleuchtet, um z. B. die Auswirkungen auf absichtsvolles Lernen, im Sinne einer langfristigen Erweiterung des eigenen Sprachwissens und könnens (u. a. Vokabel und Grammatikarbeit, Lernstrategien), ebenso wie auf das kurzfristige Anwenden des bereits Gelernten in Kommunikationssituationen kritisch zu analysieren (vgl. Raabe 1998; Koch 2011). In einer auf „Lern-ökonomie“ ausgerichteten romanistischen Fremdsprachendidaktik spielt zudem die typische schulische Sprachenfolge eine herausragende Rolle, die den Unterricht romanischer Sprachen in besonderer Weise dazu auffordert, Synergieeffekte zu nutzen und Kenntnisse sowie Strategien aus vorgelernten Fremdsprachenunterrichten aktiv einzubeziehen. Dass in diesem Fall das Englische als traditionell erste moderne Fremdsprache in besonderer Relation zu den romanischen Sprachen steht, zeigen die Sektionen English-Español (Hispanistentag 2011, Passau) und English-Français (Frankoromanistentag 2014, Münster). Ebenso können die noch deutlich zahl- und ertragreicheren Transferbasen zwischen romanischen Sprachen, z. B. im Rahmen der EuroComRom-Methode (Klein / Stegmann 1999) , helfen, effizienten Drittsprachenunterricht zu gestalten. Wenn auch Grenzen von Interkomprehension, v. a. im produktiven Bereich, zu verzeichnen sind, die die Frage nach dem gezielten Einsatz und dem Zusammenspiel mit anderen Herangehensweisen aufwerfen, liegt hier ein reicher Fundus für lernökonomischen Fremdsprachenerwerb.

Effizient gestalteter Unterricht der romanischen Sprachen kann also zur Vernetzung von sprachli-chem Wissen und Können und damit zu einer Vervollkommnung sprachlicher Handlungskompetenz führen. Falsch verstandene, zu kurz greifende Effizienz jedoch birgt auch negatives Potential. Wenn Untersuchungen zur Effizienz offenen Unterrichts mit dem angedeuteten Schluss richtig liegen, dass direkte Instruktion gute Fachleistungen eher begünstigt als offener Unterricht (vgl. Kucharz / Bohl 2010), stünde die Effizienz gegen die andererseits geforderte Schülerorientierung und Öffnung des Unterrichts. Aufgabenformate im Rahmen von task-based language learning könnten im Sinne einer kurzfristigen Zeiteffizienz in Frage gestellt werden. Die Relevanz der Arbeit an literarischen Texten ließe sich bei einer konsequenten Ausrichtung auf das primäre Ziel einer anwendungsorientierten Kommunikations¬fähigkeit anzweifeln, da man ihr unterstellen könnte, zu wenig Output bei zu viel Aufwand für dieses Ziel zu generieren. Dies gilt auch für bestimmte (v. a. historische) Problemstellungen interkulturellen Lernens, deren Alltagsrelevanz und sprachlichen Output man in Zweifel ziehen könnte. Gerade auf der konkreten Unterrichtsebene (ggf. im Einklang mit Standardvorgaben) kann so der Effizienzdiskurs dazu instrumentalisiert werden, wichtige Anliegen und Inhalte der romanistischen Fachdidaktik zu negieren.

Die Sektion bietet die Möglichkeit, das Potential von effizienter Methodik und Sprachenvernetzung aufzu-zeigen, aber auch das Janusgesicht der Effizienz auf verschiedenen Ebenen auszuleuchten. Beiträge zu dieser Sektion könnten sich mit folgenden Ebenen und Fragen beschäftigen:

- Effiziente Vermittlung und effizientes Lernen
o Sprache: z. B. Grammatik & Wortschatz, Lernstrategien
Welche grammatischen Phänomene sollten wie vermittelt werden, z. B. deduktiv (zeitsparend) oder induktiv (aktiver, ggf. nachhaltiger) ? Wie viele Ausnahmen zu einer Regel müssen vermittelt werden?
Wie effizient sind welche Vokabellernstrategien für welche Lernenden? Wie kann die effiziente Se-mantisierung neuer lexikalischer Einheiten ablaufen? Welchen Einfluss hat die Vermittlung von Lernstrategien auf die Effizienz des Unterrichts romanischer Sprachen? Welchen Stellenwert sollte sie (minimal/maximal) einnehmen?
o Methodik: z. B. Aufgabenorientierung, kooperatives Lernen
Welche Potentiale bietet die Aufgabenorientierung (task-based language learning, enfoque por tareas) für die effiziente integrative Kompetenzschulung mit unmittelbarem Anwendungsbezug? Welche unökonomischen Eigenschaften der selbstständigen Erarbeitung von Themen beinhaltet sie dennoch? Wie kann diesen begegnet werden? Welche Alternativen bieten sich an? Welche Rolle spielt dabei kooperatives Lernen?
o Output-, Standard- und Kompetenzorientierung
Welchen Beitrag leisten Outputstandards/Kompetenzerwartungen zu effizientem Unterricht romanischer Sprachen? Welche Risiken sind mit dieser Ausrichtung verbunden?

- Effiziente Kommunikation
o Produktiv: z. B. Anwendungs-/Kommunikationsstrategien
Wie können Lernende das Beste aus ihren notwendigerweise begrenzten sprachlichen Kenntnissen und Kompetenzen herausholen? Wie können Umschreibungen, Gestik, Mimik etc. unterstützend eingesetzt werden? Welche Kompensationsstrategien sind hilfreich?
Wie können ökonomische Texte verfasst bzw. eigene Texte sinnvoll überarbeitet werden, z. B. durch den Einsatz von Verweisen und Pronomen?
o Rezeptiv: z. B. Rückgriff auf vorgelernte Fremdsprachen & transversale Kompetenzen
Welche konkreten Sprachkenntnisse helfen lernen beim effizienten Erlernen einer (weiteren) roma-nischen Sprache? (Stichworte: Mehrsprachigkeit, Interkomprehension) Wie können Synergieeffekte genutzt werden?
Auf welche transversalen Kompetenzen, welche fremdsprachenspezifischen Strategien kann im Unterricht romanischer Sprachen bereits zurückgegriffen werden? Wie können diese sinnvoll über-nommen und angepasst werden?

Literatur
Koch, Corinna (2011): „Strategien: Spanisch effektiver lernen und anwenden.“ In: Der Fremdsprachliche Unterricht Spanisch 35: 4-11.
Klein, Horst G. / Stegmann, Tilbert D. (1999): EurocomRom. Die sieben Siebe. Romanische Sprachen sofort lesen können. Aachen, Shaker.
KMK (Kulturministerkonferenz) (Hrsg.) (2012): Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Eng-lisch / Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife.
Kucharz, Diemut / Bohl, Thorsten (2010): Offener Unterricht heute: Konzeptionelle und didaktische Weiter-entwicklung. Weinheim, Beltz Pädagogik.
Raabe, Horst (1998): „Lernstrategien (nicht nur) im Französischunterricht.“ In: Der Fremdsprachliche Unterricht Französisch 34: 4-10.
Rössler, Andrea (2008): „Standards ohne Stoff? Anmerkungen zum Verschwinden bildungsrelevanter Inhalte aus den curricularen Vorgaben für den Französisch- und Spanischunterricht.“ In: Lüger, H.-H. / Rössler, A. (Hrsg.): Wozu Bildungsstandards? Zwischen Input- und Outputorientierung in der Fremdspra-chenvermittlung. Landau, Verlag Empirische Pädagogik: 35-58.
Siepmann, Dirk (2007): „Wortschatz und Grammatik: zusammenbringen, was zusammengehört.“ In: Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung 46. 59-80.

Beitrag von: Corinna Koch

Redaktion: Christof Schöch