Stadt: Augsburg

Frist: 2021-01-30

Beginn: 2021-10-04

Ende: 2021-10-07

Sektionsleitung: Lukas Eibensteiner (Mannheim), Jannis Harjus (Innsbruck), Sandra Issel-Dombert (Bochum)

Die europäische Romania ist durch das Spannungsfeld zwischen Globalisierung und Regionalisierung geprägt. Einerseits gehen mit fortschreitender Globalisierung neue Migrationsbewegungen einher, die Sprach- und Kulturtransfers nach sich ziehen und dadurch neue Kontaktvarietäten entstehen lassen. Andererseits erstarken in der Romania Regionalisierungstendenzen, die u.a. in der Lombardei, auf Korsika, in Flandern und in Katalonien Sprachkonflikte fördern.
Eine relativ rezente Möglichkeit, sprachliche Diversität, Sprachkontakte und Sprachkonflikte zu visualisieren und empirisch offenzulegen, liefert die Linguistic Landscape-Forschung (LL). Sie beschäftigt sich mit der Analyse von (fotographischen) Dokumentationen multimodaler Zeichen im öffentlichen Raum (Backhaus 2007; Landry/Bourhis 1997). Aktuelle Arbeiten gehen über anfänglich quantitative Analysen der Zeichen hinaus und nehmen methodisch qualitative Erweiterungen vor, indem sie z.B. ProduzentInnen oder RezipientInnen in die Analyse miteinbeziehen. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis der hinter den Zeichen liegenden Motive, Ideologien und Einstellungen (Cenoz/Gorter 2019; Gorter et al. 2019).
In der romanischen Sprachwissenschaft haben sich zahlreiche Studien der LL bedient (z.B. Blackwood/Tufi 2015; Castillo Lluch/Kailuweit/Pusch 2019; Moser 2020), um die Sichtbarkeit von Regional- und Minderheitensprachen, diatopischen Varietäten und Migrantensprachen sowie die damit verbundene Sprachpolitik der Staaten und Regionen, Sprachkonflikte oder Prozesse der Identitätsaushandlung zu analysieren. Die romanistische LL-Forschung liefert damit einen wichtigen Beitrag zu diskurs-, ethno-, sozio-, kontakt- und migrationslinguistischen Fragestellungen sowie zur Mehrsprachigkeitsforschung.
Dennoch sind gerade in der Erforschung von LL der Romania noch entscheidende Fragen unbeantwortet, die auch die Themen Regionalisierung und Globalisierung in Europa tangieren. Während Regionalsprachen des Öfteren im öffentlichen Raum der Romania untersucht worden sind, werden in romanistischen Arbeiten dialektale Diversitäten selten analysiert (Pons 2012). Dabei stellen sich Fragen hinsichtlich der Indexikalität von Zeichen bis hin zu Aspekten des Enregisterments (Agha 2005). Nur sporadisch wird in romanistischen Arbeiten das Potential der Digital Humanities ausgeschöpft (Krefeld 2018). Dies schlägt sich v.a. in methodisch-technischen Neuerungen nieder, die zumeist außerhalb der romanischen Arbeiten entwickelt und genutzt werden, z.B. interaktives Mapping durch digitale Technologien (languagelandscape.org, LinguaSnapp, Lingscape), die auch für Analysen der Beschilderung des öffentlichen Raums in der Romania ein hilfreiches Werkzeug darstellen. Ein weiteres Desiderat – nicht nur in der Romanistik – ist die Frage nach Methoden- und Datenkombination z.B. mit ethnologisch erhobenen Feldforschungsdaten. Partizipativer Einbezug von AkteurInnen und perzeptive Analysen finden in romanistischen Arbeiten bis dato noch selten statt (Harjus 2019); ebenso werden in der Romanistik noch zu selten konstruktivistische Ansätze der urban linguistics (Warnke/Busse 2014), also (urbane) raumkonstruierende Aspekte durch Beschilderungen erforscht (Peter 2020). Die Sektion setzt sich deshalb zum Ziel, das Forschungsfeld der LL auf breiter theoretischer, methodischer und empirischer Basis unter Einbezug aller romanischen Sprachen weiter auszubauen. Erwünscht sind diachrone und synchrone Beiträge, ebenso wie komparative Perspektiven, die die multimodale Sicht auf Mehrsprachigkeit insbesondere in Europa, aber auch in der Romania nova von „innen“ und „außen“ konturieren und u.a. folgende Themen fokussieren können:

• Sprachkonflikte im öffentlichen Raum
• (Migrationsbedingter) Sprachkontakt und Mehrsprachigkeit im öffentlichen Raum
• Multimodale Strategien bei der Aushandlung von Identität(en)
• Spracheinstellungen und -ideologien
• Indexikalität von ausgestellten Zeichen, Enregisterment durch determinierte sprachliche Merkmale und damit konstruktivistische Ansätze der urban linguistics
• Methodische Erweiterung der LL-Forschung durch Einbezug von AkteuerInnen
• Methodische Erweiterung der LL-Forschung durch interaktiv-digitale Darstellung der Analyseergebnisse im WorldWideWeb
• Aus interdisziplinärer Perspektive: (Digitale) Integration von LL in die Fremdsprachdidaktik romanischer Sprachen

Abstracts für Sektionsbeiträge (max. 400 Wörter exklusive Bibliographie) können bis zum 30. Januar 2021 eingereicht werden (eibensteiner@phil.uni-mannheim.de , jannis.harjus@uibk.ac.at , sandra.issel-dombert@ruhr-uni-bochum.de). Beitragssprachen sind alle romanischen Sprachen sowie Deutsch und Englisch.

Bibliographie:
Agha, Asif (2005): „Voice, Footing, Enregisterment“, in: Journal of Linguistic Anthropology 15, 38–59.
Backhaus, Peter (2007): Linguistic Landscapes. A Comparative Study of Urban Multilingualism in Tokyo.
Clevedon [u.a.]: Multilingual Matters.
Blackwood, Robert / Tufi, Stefania (eds.) (2015): The Linguistic Landscape of the Mediterranean French and
Italian Coastal Cities. Houndmills: Palgrave.
Castillo Lluch, Mónica / Kailuweit, Rolf / Pusch, Claus (eds.) (2019): Linguistic Landscape Studies. The French
Connection. Freiburg i.Br. [u.a.]: Rombach.
Cenoz, Jasone / Gorter, Durk (2019): „Multilingualism, Translanguaging, and Minority Languages in SLA“, in: The
Modern Language Journal 103, 130-135.
Gorter, Durk/Marten, Heiko/Van Mensel, Luk (2019): „Linguistic Landscape and Minority Languages”, in: Hogan-Brun, Gabrielle / O’Rourke, Bernadette (eds.): The Palgrave Handbook of Minority Languages and Communities. London: Palgrave MacMillan, 481-506.
Harjus, Jannis (2019): „Graphische Approximationen an phonetisch-phonologische Elemente des in Andalusien gesprochenen Spanisch in den linguistic landscapes der Provinz Cádiz”, in: Calderón-Tichy, Marietta / Konzett-Firth, Carmen (eds.), Dynamische Approximationen: Festschrift für Eva Lavric. Berlin/New York u.a.: Peter Lang, 391-411.
Krefeld, Thomas (2018): „VerbaAlpina – oder: der Transfer der Geolinguistik in die digital humanities”, in: VerbaAlpina-de 18/1.
Landry, Rodrigue / Richard Y. Bourhis (1997): „Linguistic landscape and ethnolinguistic vitality: An empirical study“, in: Journal of Language and Social Psychology 16/1, 23–49.
Moser, Philippe (2020): „Linguistic Landscape“ als Spiegelbild von Sprachpolitik und Sprachdemografie?: Untersuchungen zu Freiburg, Murten, Biel, Aosta, Luxemburg und Aarau. Tübingen: Narr.
Peter, Benjamin (2020): L’andalú – Sprache, Dialekt oder lokale Mundart? Zur diskursiven Konstruktion des Andalusischen. Berlin: De Gruyter.
Pons Rodríguez, Lola (2012): El paisaje lingüístico de Sevilla. Lenguas y variedades en el escenario urbano hispalense. Sevilla: Diputación.
Warnke, Ingo / Busse, Beatrix (eds.) (2014): Place-Making in urbanen Diskursen. Boston/Berlin: De Gruyter.

languagelandscape.org
linguasnapp.manchester.ac.uk
lingscape.uni.lu

Beitrag von: Jannis Harjus