CfP Romanistentag 2015: Sektion "Zur Ökonomie des Fremdsprachenlernens: sprachliche Mittel revisited"
Stadt: Mannheim
Frist: 2015-01-15
Beginn: 2015-07-26
Ende: 2015-07-29
Im Zuge der Einführung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) (Europarat 2001) und der Bildungsstandards hat sich der Fremdsprachenunterricht zumindest auf theoretisch-konzeptioneller Ebene durchgreifend verändert. Fremdsprachenlernen steht fortan in der Zielperspektive des Erwerbs und der Entwicklung fremdsprachlicher Kompetenzen. Diese werden in Anlehnung an den GeR als sich über kommunikative (Teil-)Fertigkeiten artikulierende (sprachliche) Problemlösungskompetenzen modelliert und in ihrem Erwerb zeitlich und qualitativ gestuft –und getestet. Aus bildungspolitischer Perspektive unterliegt der Sprachlernprozess damit einer ‘Ökonomisierung’ im Sinne einer Orientierung am messbaren ‘Output’ bzw. ‘Outcome’. Dabei ist der Erwerb interkultureller kommunikativer Kompetenz zum unbestrittenen Leitziel des modernen Fremdsprachenunterrichts avanciert. In der deutschen Fremdsprachendidaktik findet diese Entwicklung ihren Widerhall in neueren Publikationen zur Entwicklung, Förderung und Evaluation fremdsprachlicher Kompetenzen (z.B. Caspari/Schinschke 2009, Eberhardt 2013, Gnutzmann/Königs/ Küster 2012, Porsch/Tesch/Köller 2010, Reimann 2014a, b, Reimann/Rössler 2013). Aus ihr ergibt sich insofern eine weitere Dimension von Ökonomisierung fremdsprachlicher Lernprozesse, als Verlage ihren Schwerpunkt bei der Entwicklung von Lehr-und Lernmaterialien zur Fremdsprachenvermittlung in diesen Jahren eindeutig im Bereich der fremdsprachlichen Kompetenzen setzen und sich hier geradezu neue Marksegmente entwickeln konnten.
Der genannten Zieldimension von Fremdsprachenunterrichtstehen jedoch die von Lehrkräften vorgebrachten Klagen über die defizitäre Kommunikationsfähigkeit der Schüler gegenüber, die sich mit neueren Sprachstandserhebungen – zumindest für das Französische als zweite Fremdsprache (Bürgel/Siepmann 2010) – decken. Zugleich gilt es als unbestritten, dass die sprachlichen Mittel – Wortschatz, Grammatik, Aussprache und Orthographie – die unentbehrliche Grundlage für die interkulturelle kommunikative Kompetenz bilden. So ist der deutliche Zusammenhang zwischen der Verfügung über sprachliche Mittel und kommunikative Kompetenzen exemplarisch für das Verhältnis von Wortschatz und Hör-bzw. Leseverstehen in zahlreichen Studien empirisch belegt worden (Bürgel & Siepmann 2012, Hee Jeon/Yamashita 2014, Qian 2002, Stæhr 2009). Es drängt sich die Frage auf, ob die Kompetenzorientierung zu einer Vernachlässigung der sprachlichen Mittel geführt hat. Und mehr noch: Hat die Abwendung vom Training der sprachlichen Mittel im Sinne der Kompetenzentwicklung etwa zur Folge, dass Kompetenzziele möglicherweise faktisch nicht erreicht werden?
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass im Zuge der Kompetenzorientierung die Relevanz der sprachlichen Voraussetzungen für das Fremdsprachenlernen vor allem in der deutschen Fremdsprachendidaktik zunehmend aus dem Blick geraten ist. Es scheint daher an der Zeit, ein neuerliches Augenmerk auf die Funktion und Bedeutung der sprachlichen Mittel für eine effiziente Ausbildung der interkulturell-kommunikativen Kompetenz zu richten. Von besonderer Relevanz ist die Frage, ob und inwiefern eine vertiefte Aneignung sprachlicher Mittel den Prozess des Sprachlernens und des Sprachkompetenzerwerbs effizienter gestalten bzw. beschleunigen, mithin ökonomisieren kann, wodurch eine dritte Dimension der Ökonomisierung von Sprachlernprozessen in den Fokus genommen wird.
Folgende Fragen sollen im Mittelpunkt stehen:
· Welcher Wortschatz bzw. welche lexiko-grammatischen Konstruktionen, Kollokationen, Phraseme usw. sollen rezeptiv bzw. produktiv beherrscht werden? Wie kann sich deren effiziente und vor allem nachhaltige Aneignung gestalten? Wie kann und soll das Verhältnis von Wortschatz und rezeptiven bzw. produktiven Sprachkompetenzen bestimmt werden? Und: Wie sollte Wortschatzdidaktik in Zeiten der Kompetenzorientierung konzeptualisiert werden?
· Wie kann Grammatik lern-und kompetenzwirksam für die Entwicklung von Sprech-und Schreibkompetenzen vermittelt werden?
· Welche phonetischen Aspekte sind für die gezielte und effiziente Entwicklung einer guten Aussprachekompetenz der Lerner relevant?
· Welche spezifischen Eigenheiten der Schriftsprache bzw. Orthographie sind für die Entwicklung von Schreibkompetenzen relevant?
Beiträge sollten diese Fragen mit Blick auf eine ‘neue Ökonomie’ des gelenkten Sprachlernprozesses und Sprachkompetenzerwerbs sowohl empirie- und theoriebasiert als auch anhand konkreter Beispiele diskutieren.
Beitrag von: Daniel Reimann
Redaktion: Christof Schöch