Stadt: Mannheim

Frist: 2015-01-15

Beginn: 2015-07-26

Ende: 2015-07-29

URL: http://www.romanistentag.de/index.php?id=936

Sektionsleitung: Gabriele Budach (Luxemburg), Falk Seiler (Mannheim)

Die sprachlich-kommunikativen Verhältnisse im romanischen Raum erfahren un­ter dem Einfluss ökonomischer Entwicklungen vor allem seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts tiefgreifende Veränderungen. Diese restrukturieren das ganze Spektrum der soziolinguistisch relevanten Interessenbereiche (wie z.B. Sprach­konflikte, Normen, sprachliche Entfremdung) hinsichtlich der Verwertung sprach­licher Ressourcen. Sie führen vielfach dazu, dass Sprecherinnen und Sprecher ihr Handeln im Spannungsfeld von nationalsprachlichem „Stolz“ und „Profitorientie­rung“ (neu) ausrichten (vgl. Duchêne / Heller, 2012). Vor diesem Hintergrund werden ökonomische Faktoren in ihrem Gewicht für die Gestaltung soziolinguisti­scher Verhältnisse heute vielleicht stärker sichtbar als noch vor 20 Jahren. Auf der anderen Seite hat die romanistische Soziolinguistik schon traditionell einen Blick für die im Verlaufe der Sprach- und Sozialgeschichte artikulierte Prägungs­kraft ökonomischer Bedingungen, den weiterzuentwickeln und zu schärfen sich lohnen dürfte.

Das Ziel der Sektion liegt darin, Wechselbeziehungen von Ökonomie, Sprache und Kommunikation aus einer historisch informierten romanistisch-soziolinguisti­schen Perspektive genauer zu bestimmen. Damit soll die ökonomische Dimension gegenwärtiger sprachlicher Wandelprozesse und Handlungsstrategien in der Ro­mania vor ihrem historischen Horizont und in ihrem Wirken bis in den digitalen Raum hinein kenntlich gemacht und theoretisch reflektiert werden. Das Ökono­mische wird dabei in seiner wirtschaftlichen und auf den Prozess der gesell­schaftlichen Reproduktion bezogenen Dimension verstanden. In diesem Sinne laden wir dazu ein, Gegenstände entlang der folgenden Themen und Fragestel­lungen zu bearbeiten:

- Migration, Mobilität und Raum: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen ökonomischen Entwicklungen und der Konstitution und Strukturierung von gesellschaftlichen Gruppen und ihren sprachlich-kommunikativen Praktiken? Wie beeinflussen ökonomische Rahmenbedingungen Mobilität und die (Dis-) Kontinuität von sprachlich-diskursiv konstruierten Bindungen an lokale und translokale soziale Netzwerke.

- Macht, Markt und Diskurs: Wie wird durch ökonomischen und politischen Strukturwandel der Wert von Sprache als materielle und symbolische Ressource (Bourdieu, 1982) umgedeutet? Welche wechselseitigen Überlagerungen sprach-, kultur- und marktbezogener Diskurse lassen sich dabei ausmachen? In welchen Ausprägungen sprachlicher Praxis funktioniert Sprache als Ware, und welche Konsequenzen hat dies für die Austragung sprachlicher Konflikte im romanischen Raum?

- Individuum und Identifikation: Gibt es gegenwärtig einen Schub der Ökonomisierung von Sprache, der sich im individuellen Sprachverhalten, im Sprachbewusstsein und in der Wahl von sprachlichen Loyalitäten artikuliert? Welche Rolle spielen etwa Rentabilitätserwägungen in sprachlichen Identifikations- und Individuationsprozessen sowie in sprachbiographischen Entwürfen? Welche Konsequenzen hat das Menschenbild des homo oeconomicus für die Soziolinguistik, ihre zentralen Fragestellungen und ihr Selbstverständnis?

- Internet und digitaler Wandel: Wie wirkt sich die zunehmende Kommerzialisierung des Internets auf die Gestaltung der romanischsprachigen Kommunikation im digitalen Raum aus? Welche soziolinguistischen Implikationen hat z.B. die Bindung von (Alltags-)Kommunikation an kommerzielle Anbieter? Gibt es neue, internetspezifische Sprachideologien, und ist es möglich, sie auf Silicon Valley als Ort der Produktion der Ideologien zu beziehen, die die Repräsentationen des Internets weithin prägen?

Die Sektion soll einen Raum bieten, die besprochenen Phänomene und Entwick­lungen auch aus einer theoretischen Perspektive zu behandeln. Ein Anschluss an sozialwissenschaftliche Theoriebildung ist dabei ausdrücklich erwünscht. Die Ge­schichte der Sprachwissenschaft zeigt vielfältige Berührungspunkte mit wirt­schaftswissenschaftlicher Reflexion (vgl. z.B. Coulmas, 1992). Im romanischen Bereich sind dabei eine Reihe ökonomisch angeregter Ansätze sprachtheoretisch entwickelt worden (z.B. Antonio Gramsci, Pierre Bourdieu, Ferruccio Rossi-Landi, Robert Lafont), nach deren Erkenntniswert erneut zu fragen reizvoll erscheint. Die Sektion begibt sich in diesen wissenschaftshistorischen Kontext und fragt von daher nach Konsequenzen für die Konstitution sprachwissenschaftlicher Gegen­stände.

Bitte schicken Sie Ihre Vortragsresümees mit Bibliographie unter Angabe des Vor­tragstitels sowie von Namen und Kontaktdaten des/der Vortragenden (alles zusammen max. 300 Wörter) an gabriele.budach(at)uni.lu und seiler(at)phil.uni-mannheim.de.

Beitrag von: Falk Seiler

Redaktion: Christof Schöch