Frist: 2024-12-31

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Historische Mehrsprachigkeit im südlichen Tirol vom Frühmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg

Hrsg. von John Butcher, Marta Penchini und Josef Prackwieser

Mimesis Verlag
Buchreihe: „Acta Maiensia“

Mit einem Vorwort von Brigitte Mazohl

Südtirol und das historische Tirol sind seit je eine mehrsprachige Alpenregion. An der Überschneidungszone zweier großer Kultur- und Wirtschaftsräume gelegen, war das Italienische auch vor der Annexion Südtirols durch Italien in Meran, Bozen oder im Unterland nicht unvertraut. Und auch im Trentino verwendete man seit dem Mittelalter mitunter Deutsch als Verkehrssprache. Neben diesen beiden international verbreiteten Großsprachen existierten mehrere kleinere und wesentlich ältere Sprachen. Trotz eines langdauernden Rückzugsprozesses werden bis heute in den ostalpinen Seitentälern das Dolomitenladinische mit seinen fünf Idiomen sowie das Zimbrische um Lusern und das Fersentalerische im Trentino gesprochen. Migrationsbewegungen, „Landnahmen“ und Überformungen veränderten die Sprachlandschaft des Landes im Gebirge kontinuierlich und zeigen, wie vielfältig Sprachgeschichte sein kann.

In der geplanten Publikation werden in bisher einzigartiger Weise sechzehn deutsch-, italienisch- und englischsprachige Beiträge, die inhaltlich vom Frühmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg reichen, historische Mehrsprachigkeit in der Region umfassend erkunden. Der methodisch-fachliche Zugang ist betont interdisziplinär: Vertreter*innen aus der Geschichtswissenschaft, der Soziolinguistik und historischen Sprachwissenschaft, der Toponomastik, der germanischen, romanischen und komparatistischen Literaturwissenschaft beschäftigten sich hierbei mit folgenden Fragen: Was sprach man alles im südlichen Tirol zur Zeit der Bajuwaren, Karls des Großen, von Walther von der Vogelweide, von Dante Alighieri, von Claudia de’ Medici, von Andreas Hofer und in der Belle Époque bis hin zur italienischen Annexion? Welchen Code-Switch vollzog der adelige Minnesänger Oswald von Wolkenstein in seinen Liedern? Wie und warum wurde der einst weitgehend rätoromanische Vinschgau in noch vornationaler Zeit germanisiert? Was verraten uns Orts- und Flurnamen über die Sprachgeschichte Merans? Welches soziale Kapital und gesellschaftliche Prestige kamen Mehr- und Vielsprachigkeit in der Passerstadt der Jahrhundertwende zu?

Bei der Beschäftigung mit all diesen Themen soll die Frage nach Sprachlichkeit bzw. sprachlicher Zugehörigkeit, die in diesem Grenzland spätestens seit dem 19. Jahrhundert auch im Sinne des Nationalismus verhandelt wurde, nie nur positivistisch behandelt werden, sondern vielmehr im Sinne einer kritischen sowie poststrukturalistisch-kulturhistorisch informierten Sprachgeschichte. So besehen kann die Frage nach historischer Sprachlichkeit in den geplanten Beiträgen auch wie folgt gedacht werden: Welche Rolle spielte überhaupt das für uns heute scheinbar so festgefügte Konzept „Sprache“, welche Rolle die „Mehrsprachigkeit“ und der Kontakt mit Fremdsprachen im Leben eines Menschen aus dem Mittelalter, der Renaissance, dem Zeitalter des Barock, der Franzosenzeit und der noch jungen Moderne? Unsere immer noch durch die Vorstellung einer homogenen Kulturnation geprägte Deutung von Kommunikation und (Ein-)Sprachigkeit wird hier auf diachrone Weise mit der Vormoderne konfrontiert – also mit jener Zeit, der die Massenideologie des Nationalismus noch fremd war und deren Umgang mit mehreren Idiomen sich erstaunlich pragmatisch ausnahm.

Zeitplan

Abgabe der einzelnen Aufsätze: 31. Dezember 2024

Veröffentlichung: bis Juni 2025

Bitte senden Sie Ihren Vorschlag an John Butcher: johncbutcher@hotmail.com

Beitrag von: John Butcher

Redaktion: Ursula Winter