BILDER DES KATHOLISCHEN IM ITALIEN DER MODERNE (Ringvorlesung im WiSe 2024/25)
Stadt: Mainz
Beginn: 2024-10-24
Ende: 2025-01-30
Bilder des Katholischen im Italien der Moderne
Wenn man die moderne Welt mit Carl Friedrich von Weizsäcker als Ergebnis einer Säkularisierung des Christentums verstehen möchte, dann wurde dieser Prozess spätestens mit der Französischen Revolution beschleunigt, indem die Kirchengüter säkularisiert wurden. Zunächst handelte es sich um einen rein juristischen Begriff, der auf die Enteignung von Sakralem, auf die Liquidierung von Kirchenbesitz und -macht abzielte. In Deutschland stellte der Reichsdeputationshauptschluss (1803) eine wichtige Zäsur für die Entmachtung der katholischen Kirche dar, in Italien sicherlich das Ende des Kirchenstaats (1870). Hans Blumenberg hat darauf hingewiesen, dass sich der Begriff à la longue semantisch anreicherte und schließlich auch die geistige Welt erfasste. Ideen und Verhaltensweisen lösten sich aus ihrem ursprünglichen religiösen Begründungszusammenhang und wurden zunehmend aus der allgemeinen Vernunft hergeleitet. Der Weltgeist zu Pferde, Napoleon Bonaparte, verlieh diesen modernen Ideen zu Beginn des 19. Jahrhunderts die nötige militärische Durchschlagskraft. Weshalb sollte man sich vor diesem Hintergrund in einer Ringvorlesung auf die Suche nach Bildern des Katholischen begeben? Sind Letztere nicht im Verschwinden begriffen? Die Antwort ist zweifach gestaffelt: Zum einen besitzen die mit der Säkularisierung verbundenen politisch-historischen Auseinandersetzungen und Kämpfe ein hochdramatisches Spannungspotenzial, das schon auf der Ebene der Historiographie spektakulär und längst nicht ausreichend erforscht ist. Man denke an die Auseinandersetzungen zwischen Papst und weltlichen Mächten beim Kampf um Rom als weltliche Hauptstadt während des Risorgimento oder an die problematische Rolle der Kirchen im Zeitalter des Totalitarismus. Zum anderen stellt sich die Frage, wo das Katholische ‘hingeflossen’ ist, nachdem es juristisch liquidiert wurde. Unsere Antwortsuche knüpft an Jürgen Habermas’ Überlegungen zur konstitutiven Bedeutung der Religion für die säkulare Gesellschaft an, weil die Religion institutionell und machtpolitisch weiterhin ein Faktor ist und die Vernunft allein unsere Daseinsfragen, Sehnsüchte und Ängste nicht immer erfassen kann. Nicht zuletzt bahnt sich das Katholische mit seinen dazugehörigen Imaginarien, Narrativen und Klischees einen unvermuteten Weg in den modernen Zeichenwelten der Literatur, der Künste und der neuen Medien. Ob es sich um katholische Szenen und Figuren im Roman des 19. Jahrhunderts, um Kunstwerke, um päpstliche Masseninszenierungen oder um den new catholic chic in Film, Popmusik und Tattooästhetik handelt, überall stoßen wir auf Bilder und Szenen des Katholischen, die mal offensichtlich, mal gut verschlüsselt sind. Diese hier nur angedeuteten Facetten des Katholischen werden im Rahmen dieser interdisziplinären Ringvorlesung von versierten Vortragsgästen erläutert und interpretiert. Dabei soll ein historischer Bogen vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart gespannt werden.
24.10.: Verwandlungen des Katholischen in der Moderne: Konflikt, Säkularisierung und Transformation (Detlef Pollack, Uni Münster)
31.10.: Fabrizio Ruffo und der Sanfedismo des Jahres 1799: Bilder der konterrevolutionären Reaktion zwischen Geschichtsschreibung und Literatur (Tobias Berneiser, Uni Siegen)
07.11: “Se il Papa è andato via”? Zur Entwicklung der Römischen Frage 1848-1871" (Jens Späth, Uni Saarbrücken)
14.11.: Die performierte Religion. Katholische Szenen im historischen Roman (Dietrich Scholler, JGU Mainz)
21.11.: Papsttum und nationale Erinnerungsbildung im Risorgimento: historiographische und literarische Perspektiven (Robert Lukenda, JGU Mainz)
28.11.: Cattelan und Vatikan (Dominik Brabant, LMU München)
12.12.: Vom Ende einer historischen Allianz: Aristokratie und katholische Kirche in Tomasi di Lampedusas Gattopardo (Andreas Gipper, JGU Mainz)
09.01.: Bilder des Katholischen in Italien: frommes Selbstverständnis und soziale Selbstverständlichkeit (Christiane Liermann, Villa Vigoni)
16.01.: Papa Angelicus. Die Selbstinszenierung von Pius XII. und die Mobilisierung der Massen (Claus Arnold, JGU Mainz)
23.01.: Die Passion Christi als (inter)mediales Ereignis in Pier Paolo Passolinis La ricotta (Elisabeth Oy-Mara, JGU Mainz)
30.01.: Katholisch und populär? Zum Verhältnis von Italienbildern und Bildern des Katholischen im interkulturellen Kontext der Gegenwart (Marita Liebermann, Akademie Erbacher Hof)
VERANSTALTER
Romanisches Seminar (Johannes Gutenberg Universität
Mainz), Fachbereich für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft
(Johannes Gutenberg Universität Mainz /
Germersheim) in Kooperation mit der Akademie des
Bistums Mainz)
Organisation: PD. Marita Liebermann, Prof. Dr. Dietrich Scholler, Prof. Dr. Andreas Gipper, PD. Dr. Robert Lukenda
Alle Veranstaltungen finden um 12.15 Uhr
an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
im Philosophicum I, Raum P109a statt.
italienforum.uni-mainz.de
Beitrag von: Robert Lukenda
Redaktion: Robert Hesselbach