Frist: 2020-08-31

Angesichts des Wandels von der analogen zu einer digitalen Welt sollten verschiedene Forschungsrichtungen, die sich mit Sprache/n befassen, mit ihrem jeweiligen Potenzial noch einmal neu betrachtet und vor allem stärker miteinander verknüpft werden. Im Kontext des Fremdsprachenunterrichts kommen nicht nur fachdidaktische, sondern auch unterschiedliche sprachwissenschaftliche Forschungsrichtungen zusammen, zum Beispiel bei der Verknüpfung von Ansätzen aus der Mehrsprachigkeitsdidaktik und der linguistic-landscape-Forschung. Bei beiden nimmt – neben vielen anderen Aspekten – die Sichtbarkeit bzw. Wahrnehmung von Sprache/n eine bedeutende Rolle ein. Die Zweit- und Drittspracherwerbsforschung (Hufeisen 2010) sowie Vertreter der Mehrsprachigkeitsdidaktik [z.B. Meißner/Reinfried (1998), aufgeklärte Mehrsprachigkeit (Reimann 2016), Interkomprehensionsdidaktik (Klein/Stegmann 2000)] plädieren für einen sprachvernetzenden Unterricht, der das sprachliche Potenzial der Lernenden nicht nur wahrnehmbar, sondern durch die Integration sprachlicher Vorkenntnisse, auch von Herkunfts- und Familiensprachen, gewinnbringend nutzen will (Fernández-Amann/Kropp/Müller-Lancé 2015). Auch die linguistic-landscape-Forschung (Cenoz/Gorter 2006; Gorter/Marten/Van Mensel 2019; Castilló Lluch/Kailuweit/Pusch 2019) zeigt mit ihren Erkenntnissen, dass es wichtig ist, die sprachliche Diversität in Ländern, z.B. in Frankreich mit seinen zahlreichen endogenen (Französisch, Okzitanisch, Elsässisch usw.) und exogenen Sprachen (Maghrebinisches Arabisch, Türkisch, Englisch usw.), sichtbar zu machen (Kremnitz 2015).

Der Französischunterricht kann inzwischen mittels digitaler Medien den Zugang zur Fremdsprache bzw. zu der sprachlichen Vielfalt im Land der Fremdsprache auch ohne unmittelbaren Kontakt zu einem fremdsprachlichen Gegenüber anhand konkreter Beispiele (critical incidents, Fotos usw.) vermitteln. Daraus ergeben sich Möglichkeiten, Materialien der linguistic-landscape-Forschung sowohl für die kritische Reflexion von Sprachkontaktsituationen (z.B. im Hinblick auf die sprachliche Situation autochthoner und allochthoner Minderheiten), die Behandlung inter- bzw. transkultureller Fragestellungen wie auch für spracherwerbsbezogene Aufgabenstellungen (z.B. Grammatik- und Wortschatzerwerb), die mehrsprachige Potenziale nutzen, einzusetzen. Die Digitalisierung bietet hierbei insofern neue Spielräume, dass sie etwa die Nutzung von Medien und Erstellung von Unterrichtsmaterialien wesentlich vereinfacht (vgl. Bastian/Aufenanger 2017, Larbig/Spang 2017) und die Dokumentation der Mehrsprachigkeit mittels authentischer Eindrücke aus dem zielsprachlichen Land, beispielsweise durch die Analyse von Blogs oder Instagram-Profilen, näher an die Lernenden heran holt. Auch etwa die Nutzung von Google Maps und die Betrachtung von zweisprachigen Verkehrsschildern werden mittels digitaler Medien auf Knopfdruck bzw. Mausklick ermöglicht.

Der Sammelband möchte sich sowohl linguistischen wie auch fachdidaktischen und explizit praxisorientierten Fragestellungen widmen und den Austausch zwischen Fachwissenschaft, Fachdidaktik und der konkreten schulischen Praxis vor dem Hintergrund der Digitalisierung fördern. Daraus ergeben sich unter anderem folgende Themenschwerpunkte bzw. Fragestellungen:

  • Welche Chancen bietet die Digitalisierung zur Verknüpfung der unterschiedlichen Forschungsrichtungen?
  • Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Mehrsprachigkeitsdidaktikern und linguistic-landscape-Forschern im Zeitalter der Digitalisierung mit ihren Möglichkeiten und Werkzeugen produktiv gestaltet werden?
  • Welche Möglichkeiten der Sprachvernetzung im Französischunterricht (sowohl schulische als auch herkunftsbedingte Mehrsprachigkeit) ergeben sich durch die Digitalisierung?
  • Welche Veränderungen ergeben sich durch die Digitalisierung im Bereich der Zweit- und Drittspracherwerbsforschung?
  • Wie verändert sich die linguistic-landscape-Forschung (sowohl aus einer fachwissenschaftlichen als auch aus einer fachdidaktischen Perspektive) durch die digitale Welt?
  • Inwiefern kann der Französischunterricht „authentischer“ gemacht werden durch Erkenntnisse der linguistic-landscape-Forschung hinsichtlich digitaler Formate? Wie werden Sprachkontaktsituationen im Französischunterricht dadurch zugänglicher gemacht? Wie kann die Nutzung neuer Medien als Werkzeug eines authentischen Französischunterrichts konkret aussehen?
  • Inwiefern können Mehrsprachigkeitsdidaktik und linguistic-landscapes im Kontext des inklusiven Lehrens und Lernens von der Digitalisierung profitieren?

Abstracts für Beitragsvorschläge (800-1000 Wörter, ohne Literatur) können auf Deutsch, Englisch oder Französisch bis 31. August 2020 unter eibensteiner@phil.uni-mannheim.de eingereicht werden. Einreichungsfrist für die endgültigen Beiträge (50,000 Zeichen inkl. Leerzeichen) ist der 30. November 2020.

Beitrag von: Lukas Eibensteiner

Redaktion: Ursula Winter